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Bethanien

© Imago

Bethanien: Feste Bleibe

Seit zweieinhalb Jahren wohnen Hausbesetzer im Südflügel des Kreuzberger Kulturzentrums Jetzt will Bezirksbürgermeister Franz Schulz die Duldung auf Steuerzahlerkosten dauerhaft legalisieren.

Franz Schulz klingt neuerdings ganz zufrieden, wenn er über Bethanien spricht. Der Bürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg sieht sich der Lösung eines der größeren Probleme der Bezirkspolitik nahe. Geht es nach dem grünen Chef des Bezirksamts, könnte am kommenden Mittwoch eine Grundsatz-Entscheidung über Bethanien fallen. Und dann könnten aus Besetzern, die in Bethanien auf Steuerzahlerkosten leben, Mieter werden. So sieht es Schulz’ Konzept, ein zehn Seiten umfassendes Papier zur Zukunft von Bethanien, vor.

Seltsam plötzlich tut sich was in einer Angelegenheit, die manche Beobachter skandalös finden, andere nur typisch Kreuzberg. Im Juni 2005 hatten etwa hundert Bewohner des „Projekts Yorckstraße 59“ den Südflügel des Künstlerhauses am Mariannenplatz besetzt. Von einer Räumung des Gebäudes war bald keine Rede mehr; die von der Politik zugesagt „Duldung“, die bis zum Ende des Jahres dauern sollte, verlängerte sich zum Dauer- und Normalzustand: Im Südflügel des ehemaligen Krankenhauses etablierten sich Anhänger einer typischen Kreuzberger Subkultur. Man lud zum Verzehr von „Solicocktails und Essen für emanzipatorische Projekte“, man führte Stücke wie „Biene Maya und der Faschismus“ auf. Man agitierte gegen die angebliche „Gentrifizierung“ des Bezirks. Und mit der Kreuzberger Politik wollte man naturgemäß nichts zu tun haben, mit den Grünen so wenig wie mit der PDS.

Bei den Kreuzbergern kam das so gut an, dass ein Bürgerbegehren erfolgreich war. Dieses sah vor, die Besetzer und ihre „Initiative Zukunft Bethanien“ (IZB) an der Entwicklung Bethaniens zu beteiligen. Der Bezirk hatte mal die Idee verfolgt, den großen alten Backsteinbau mit dem darin untergebrachten Künstlerhaus zu privatisieren – aber die Idee war mit dem Bürgerbegehren erledigt. Jetzt wurde ein Runder Tisch installiert und heftig diskutiert.

Das Konzept des Bürgermeisters ist das Ergebnis der Debatten. Bethanien wird nicht privatisiert – der Verkauf „an einen nicht gemeinwesenorientierten Einzelnen“ wird sogar ausgeschlossen. Im Haupthaus soll weiterhin „Kulturproduktion und Kulturpräsentation“ stattfinden – das Künstlerhaus mit seinen Ausstellungen und den Ateliers, die Druckwerkstatt sowie die Musikschule können und sollen bleiben. In Zukunft soll der Gebäudekomplex von der gemeinnützigen GSE verwaltet werden. Die hat viel Erfahrung mit sozialen Projekten als Mietern und soll mit allen Nutzern des Hauses Gewerbemietverträge schließen, die vor allem der Deckung der laufenden Kosten dienen. Von drei Euro pro Quadratmeter ist die Rede.

Soweit sind sich die Kreuzberger Bezirksverordneten mehrheitlich einig. Dann aber wird es problematisch. Schulz schlägt nämlich vor, dass im Haupthaus auch das „sOfa“ untergebracht werden soll. „sOfa“ steht für das „selbstverwaltete, offene interkulturelle AnwohnerInnenforum im Bethanien“ – eine Einrichtung im Sinne des spezifisch kreuzbergischen Verständnisses von „Teilhabe“ und „Mitmachen“.

Seit rund einem Jahr läuft im Sofa, das im Erdgeschoss des Haupthauses auf kleiner Fläche residiert, alles Mögliche an Teilhabe und Mitmacherei. Es tagt ein „Politisches FrauenCafé“, es werden „Filme aus der näheren Umgebung“ gezeigt, alle zwei Wochen trifft sich die Gruppe „Freifunk und Antennenbau“. Mieterberatung, Tauschbörsen, Treffen in Sachen Ganzheitlicher Medizin und des deutsch-polnischen Kulturvereins „mit Vorliebe für leckere Teigtaschen“ sollen stattfinden. Christoph Tannert, der Leiter des Künstlerhauses und heftige Gegner der Besetzer, berichtete, vor kurzem sei dort zwei Wochen lang Urschrei-Therapie praktiziert worden. „Das war absurd.“

Nicht allein Tannert findet die Etablierung des „sOfa“ im Haupthaus problematisch. In der laufenden Beratung des Papiers haben die SPD- und die Links-Fraktion eine wesentliche Änderung verlangt: Das offene Sozial- und Kulturzentrum soll in den Südflügel des Hauses umziehen – dorthin, wo die IZB und die Nachfahren der Besetzer aus der Yorckstraße eine derzeit noch mietfreie Existenz behaupten.

Für Tannert – aber eben auch für die SPD und die Linken – ist die strikte Trennung des Haupthauses vom alternativ-subversiv-schrägen Südflügel die Voraussetzung dafür, miteinander auszukommen. Und auch GSE-Geschäftsführer Dieter Ruhnke meint, das soziokulturelle Zentrum gehöre eher in den Südflügel als ins Haupthaus. Eine gewisse Abgrenzung zwischen denen, die in Bethanien seit vielen Jahren Kultur herstellen, und den Leuten vom Südflügel mit ihrem Graswurzelpolitik- und Kulturverständnis muss aus seiner Sicht sein, um Dauerkonflikte zu vermeiden.

Tannert findet die Lage „schlimmer denn je“ – er fürchtet seit langem um das Ansehen des Künstlerhauses, das auf Sponsoren angewiesen ist. Doch die Leute von der Initiative wollen das „sOfa“ im Haupthaus behalten. Polemisch schreiben sie auf einem Flugblatt: „Kreuzberg baut die Mauer wieder auf“: „Die etablierte Kunst soll durch den Haupteingang erreichbar sein, die Soziokultur im Seitenflügel verschwinden, hinter einer Mauer, wo sie nicht sichtbar ist“. Das, so die IZB-Leute, widerspreche auch den Zielen der 14 000 Unterstützer des Bürgerbegehrens. Die Bezirksverordnetenversammlung will am Mittwoch über Schulz’ Konzept und die „sOfa“-feindlichen Änderungsvorschläge von SPD und Linken beraten. Die könnten sich mit ihren 25 Stimmen über Schulz und seine Grünen-Fraktion hinwegsetzen. Die Frage ist, wie die Anhänger der Initiative Zukunft Bethanien damit umgehen. Werner van Bebber

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