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Berlin: Beton von seiner feinsten Seite

Bergnerschmidt macht modernen Schmuck.

Beton hat nicht den besten Ruf: Kalt und rau sei er, abweisend, ja unmenschlich, sagen viele und denken dabei an Autobahnbrücken oder riesige Wohnsiedlungen, an soziale Brennpunkte und Anonymität. Er ist eben oft dort, wo es weh tut.

Dabei kann Beton ganz anders sein, wenn man ihn nur gut behandelt: ebenmäßig glatt, seidig schimmernd und leicht. So wie die Schmuckstücke des Berliner Labels Bergnerschmidt. „Viele rätseln, was für ein Material das ist, wenn sie unsere Objekte zum ersten Mal sehen“, sagt Elisabeth Schmidt, die Bergnerschmidt 2009 zusammen mit Lily Bergner gegründet hat. „Die fragen dann etwa: Ist das Speckstein?“ Und seien völlig überrascht, wenn sie hörten, woraus die Ringe, Armreife und Kettenanhänger tatsächlich bestehen.

Die beiden begannen schon während ihres Modestudiums an der HTW, mit Beton zu arbeiten. Für ihre gemeinsame Diplomkollektion ließen sie sich vom Bauhaus inspirieren. Sie wollten dabei nicht nur mit Textilien arbeiten – und angesichts des Themas bot sich Beton an. Auch weil er für Kontraste sorgte: Gereizt habe sie, das starre Material und den organischen Körper in Einklang zu bringen, sagt Schmidt: „Wir waren sehr experimentell und haben getestet, was mit Beton überhaupt möglich ist.“

Seit drei Jahren konzentrieren sie sich nun auf ihren Betonschmuck. Was nicht heißt, dass sie ihr altes Thema, die Synthese von Textil und Beton, ganz aufgegeben hätten: Für ein gemeinsames Projekt mit der Berliner Designerin Esther Perbandt entwickelten sie ein Baukastensystem aus polygonalen Betonplättchen, mit denen sich ein schlichtes Top der Modedesignerin individuell dekorieren lässt.

Ihr Schmuck wurde indessen immer abstrakter, je tiefer sie das Potenzial des Materials ausloteten. Anfangs interpretierten sie textile Vorbilder und schufen Objekte, die wie versteinerte Schulterkragen wirken, oder beschichteten ihren Schmuck mit Blattgold und -silber. Inzwischen verzichten sie auf modische Anklänge und vertrauen dem puren Beton. „Er setzt Grenzen. Daraus entsteht unsere Formensprache“, sagt Schmidt.

Die ist architektonisch klar, wirkt aber nie kalt kalkuliert. Sie ergänzt die Ausdruckskraft des Materials. Eine eigene Betonmischung nutzen die Designerinnen, die vom Entwurf bis zur Endpolitur alles selbst machen. Sie verleiht den Objekten ihre Leichtigkeit und die schimmernden Oberflächen. Und sie macht jedes zu einem Unikat: „Das Grau bekommt unterschiedliche Nuancen, es gibt kleine Lufteinschlüsse“, erzählt Schmidt. Auf sie wirke der Kunststein daher „wie ein Naturmaterial“.

Darin liegt der Reiz der Schmuckstücke: Ihnen ist anzusehen, dass den Designerinnen die Klischees, die dem Beton anhaften, egal sind. Sie geben ihm einfach eine Formensprache, in der er seine sonst oft verborgenen Seiten entfalten kann. Jan Schröder

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