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Berlin: "Bettelkönigin von Moabit": Leistungstest für das Hörgerät in Reihe acht

Klara Wedler sitzt unwirsch im Foyer des Hansa Theaters in Moabit und nestelt an ihrem Hörgerät. Ernsthaft besorgt ist sie, denn für die 20-Uhr-Vorstellung des Stücks "Das Bettelkönigin von Moabit" mit Brigitte Mira hat sie nur einen Platz in der achten Reihe bekommen.

Klara Wedler sitzt unwirsch im Foyer des Hansa Theaters in Moabit und nestelt an ihrem Hörgerät. Ernsthaft besorgt ist sie, denn für die 20-Uhr-Vorstellung des Stücks "Das Bettelkönigin von Moabit" mit Brigitte Mira hat sie nur einen Platz in der achten Reihe bekommen. "Da höre ich ja gar nichts", gibt sie zu bedenken, "trotz Hörgerät höre ich ja schon schwer, und dann in der achten Reihe sitzen?" Doch Klara Wedler will nicht undankbar sein, schließlich kann sie das Stück mit ihrer Ehrenkarte kostenlos sehen. Und die Ehrenkarte wiederum hat sie Brigitte Mira zu verdanken, beziehungsweise ihrem Alter, denn: Die Schauspielerin feierte im April ihren 90. Geburtstag und hatte nun die Idee, alle 90-Jährigen zur Auftaktvorstellung der Millieukomödie "Das Bettelkönigin von Moabit" am 1. November einzuladen.

Das Stück läuft zwar schon seit September, wurde aber unterbrochen, weil die Mira bis vor kurzem noch im "Jedermann" spielte. Doch nun geht es en suite weiter bis Silvester. Klara Wedler ist mit ihrer 81-jährigen Freundin Marie Groth gekommen. "Ich bin ja noch jung", scherzt sie, "habe aber trotzdem nichts bezahlt, weil Begleitpersonen auch freien Zutritt haben". Marie Groth verkündet stolz, dass sie die Nummern aller Autos, die sie und ihr Ehemann seit 1957 gefahren haben, auswendig kennt. "B-CM 864...", während sie die Autonummern herbetet, marschieren die beiden schon eine dreiviertelstunde vor Beginn zu ihren Plätzen - sicher ist sicher.

Drinnen warten schon die Zwillingsschwestern Herta Ehrke und Hedwig Radtke. Beide sind mit ihren Töchtern erschienen. "Wir sind ja noch unternehmungslustig", erzählen sie und freuen sich auf Brigitte Mira, ihre Altersgenossin. Die Damen haben es sich mit einem Piccolo an einem der runden Tische im Theatersaal bequem gemacht.

Derweil hakt Erna Hoffmanns Tochter ihre 90-jährige Mutter unter und dirigiert sie in Richtung Vorstellungsraum. "Na, klar kennt Mutti die Brigitte Mira", sagt die Tochter, "aus Drei Damen vom Grill". Eigentlich geht Erna Hoffmann um diese Zeit schon ins Bett, "aber heute machen wir mal eine Ausnahme", lächelt sie. Insgesamt 21 Damen des Jahrgangs 1910 haben Brigitte Miras Angebot angenommen, um sie als "Apfel-Eva", der von der Gesellschaft ausgestoßenen Königin der Bettler, zu erleben. Übrigens: Zwei der 21 Damen haben geschummelt. Sie sind schon 91 Jahre alt. Aber, sagen sie, das zählt erst recht, denn: Je oller, je doller.

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