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Berlin: Bewährung für Bombendroher

49-Jähriger löste aus Angst vor Zwangsräumung Großeinsatz der Polizei aus. Vor Gericht schämte er sich

Keine Arbeit, kein Geld, kaum soziale Kontakte. Ein Jahr lang lebte Joachim N. von dem, was andere in Mülltonnen warfen. Als der Kreuzberger glaubte, dass er auch noch seine Wohnung verlieren würde, löste er einen Großeinsatz der Polizei aus. Der 49-Jährige rief aus einer Telefonzelle den Polizeinotdienst an und drohte mit einer Bombenexplosion in seinem Haus. „Es sollte ein Hilferuf sein, war eine Dummheit“, beteuerte Joachim N. gestern vor Gericht. „Ich möchte mich entschuldigen, weil ich Angst und Schrecken verbreitet habe.“

Der Mann mit Zopf und Bart lebte bis zum 17. November 2005 allein und unauffällig vor sich hin. Finanzielle Unterstützung hatte er nicht beantragt, weil er mit den Formalitäten nicht klar kam und ihm solche Hilfe auch „unangenehm“ war. Mietschulden sammelten sich an. „Dann habe ich die Kündigung gekriegt“, sagte der Angeklagte. Er befürchtete, dass ein Gerichtsvollzieher kommen und die Zwangsräumung durchführen würde. Er trank am frühen Morgen eine halbe Flasche Wein und sah sich in seiner Wohnung um. Seit einem halben Jahr hatte er bereits ohne Strom gelebt. „Dir hört sowieso niemand zu“, sagte er sich. „Dann sah ich den Koffer und dachte, dass ich was bauen könnte.“

Er verkabelte ein Handy mit einer Blechdose und packte Kabel in den Koffer und in Kartons. Um 8.11 Uhr meldete sich der Mann, der der Justiz bis dahin unbekannt war, bei der Polizei. „Ich werde heute aus meiner Wohnung geschmissen, ich kann nicht mehr, ich habe was gebaut, ich gehe in die Luft“, drohte er. Er sprach von zwei Handgranaten und einer Tellermine, die beim Betreten seiner Wohnung in Kreuzberg explodieren würden. Er warnte: „Räumen Sie die Schule!“

Kurze Zeit später war die Polizei da. Die Gefahrenzone wurde weiträumig abgesperrt, das Haus in der Manteuffelstraße 7, die benachbarten Blocks, zwei Schulen und ein Kindergarten geräumt. Zweieinhalb Stunden später konnte das Spezialeinsatzkommando (SEK) Entwarnung geben. Joachim N. wurde am Nachmittag gefasst – betrunken und mit einer Spielzeugpistole im Stoffbeutel, mit der er gegen Mittag in einem Kaufhaus eine Verkäuferin bedroht haben soll.

Fünf Monate saß N. in Untersuchungshaft. „Ich habe schön zugenommen“, verriet er dem Richter. Er behauptete auch, eigentlich ein Spaßvogel zu sein. Eine Gutachterin sagte, er schäme sich für alles. Vor allem dafür, dass er nichts auf die Reihe bekommen habe. Sie bescheinigte ihm eine verminderte Schuldfähigkeit auf Grund sozialer Anpassungsstörungen.

Joachim N. hat sich der Störung des öffentlichen Friedens schuldig gemacht. Dafür drohen Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren. Der Angeklagte habe sich zwar in einer Krisensituation befunden, hieß es im Urteil. Es sei aber eine Tat, die zu großer Verunsicherung der Bevölkerung führe. Viele Menschen hätten Angst, „wenn solche Verrückten androhen, etwas in die Luft zu sprengen“. Joachim N. wurde zu einem Jahr Haft auf Bewährung verurteilt. Nach Angaben seines Anwalts kann er jetzt in eine betreute Wohnung ziehen.

Kerstin Gehrke

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