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Berlin: Bewährung für Vater mit Dynamit-Attrappe

Fünf Monate Haft und 300 Stunden Arbeit: Palästinenser für Billigung von Straftaten verurteilt / Abschiebung droht

Am Ende halfen dem Angeklagten weder Entschuldigungen noch das Bedauern, die Gefühle anderer Menschen verletzt zu haben: Mohamed El-R., der Vater, der seine Kinder am 13. April auf einer Demonstration gegen das israelische Vorgehen in den besetzten Gebieten als Selbstmordattentäter verkleidet hatte, wurde am Montag zu einer fünfmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt. Außerdem verpflichtete das Amtsgericht Tiergarten ihn zu 300 Stunden gemeinnütziger Arbeit.

Der Richter sah es als erwiesen an, dass der 33-jährige Palästinenser mit der Ausstaffierung seiner Kinder den öffentlichen Frieden gestört und Straftaten wie Selbstmordattentate im Nahen Osten gebilligt hatte. Die Bilder waren um die Welt gegangen und hatten Entsetzen ausgelöst. Freunde und Unterstützer von Mohamed El-R. kritisierten das Urteil scharf. Wegen der mehr als 30 Tage zählenden Bewährungsstrafe droht dem Familienvater nun theoretisch die Ausweisung in den Libanon. Am Montagabend kündigte er über einen Vertrauten an, deswegen Berufung gegen das Urteil einzulegen.

Zuvor hatte der Palästinenser, der vor zwei Jahren als Asylbewerber nach Deutschland kam und nur rudimentär Deutsch spricht, von seinem Rechtsanwalt eine Erklärung verlesen lassen. Darin gestand er ein, seine sechsjährige Tochter Salih und die beiden Söhne Nadir (10) und Hassan (12) vor der Demonstration angeregt zu haben, sich aus Bastelmaterial Dynamit-Attrappen zu bauen. Damit ausstaffiert, gingen die vier dann zu der Israel-kritischen Demonstration am Alexanderplatz. Der Angeklagte betonte, die Verkleidung seiner Kinder sollte nicht die Selbstmordattentate von Palästinensern gegen Israelis billigen. Der Aufzug sei vielmehr ein „Appell“ gewesen, das Palästinaproblem zu lösen, damit keine weiteren Anschläge ausgeführt werden. Er liebe seine Kinder und würde von ihnen nie verlangen, ihr Leben zu opfern.

Dies wurde auch durch einen Bericht über die persönlichen Verhältnisse des Palästinensers bekräftigt, den der Richter verlas. Wegen des Krieges im Libanon ließ El-R. seine Frau und die Kinder 1996 aus dem Libanon nach Deutschland schleusen. Um die hohen Kosten dafür abzuarbeiten, blieb er noch fünf Jahre im Libanon. Als er seiner Familie nach Berlin folgte, hatten seine Frau und er sich auseinander gelebt. Heute wohnen sie getrennt, aber der Vater sieht seine Kinder weiterhin fast täglich, kocht für sie und verbringt viel Zeit mit ihnen bei seiner Schwester, die seit 13 Jahren in Berlin lebt. Er leide darunter, so der gelernte Schmied und Mechaniker, dass er hier wegen seines Aufenthaltsstatus’ nicht arbeiten und das Geld für seine Familie verdienen darf.

Der Staatsanwalt warf Mohamed El-R. vor, mit dem Auftritt am 13. April nicht nur die Selbstmordattentate im Nahen Osten gebilligt zu haben. Auch bestehe die Gefahr, dass Trittbrettfahrer zur Nachahmung zu verleitet werden könnten. Den Vorwurf der Billigung von Völkermord, wie er in der Anklageschrift ebenfalls aufgeführt war, ließ der Staatsanwalt fallen. Er plädierte für eine Strafe „im unteren Rahmen“ und forderte sechs Monate Haft auf Bewährung und 300 Stunden gemeinnütziger Arbeit.

El-R.s Verteidiger bezweifelte, dass die Billigung von Selbstmordattentaten generell strafbar sei, da in den von Israel besetzten palästinensischen Gebieten Kriegszustand herrsche und man den Palästinensern ein „Widerstandsrecht“ einräumen müsse. Der Vorwurf, die Verkleidung könne Selbstmordattentäter in Deutschland animieren, wies er als „Unsinn“ zurück. „Es ist nicht Aufgabe des Kriminalgerichts Moabit, deutsche Außenpolitik zu machen“, hielt der Richter dem entgegen. Er sah es als erwiesen an, dass El-R. Selbstmordattentate billigen wollte. Daher sei eine Freiheitsstrafe von fünf Monaten angemessen. Dazu 300 Stunden gemeinnütziger Arbeit – um El-R.’s ausgesprochenem Wunsch nach Arbeit „Nachdruck zu verleihen“, wie der Richter süffisant anmerkte.

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