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© David Heerde

Streit um Weltkriegsschau: Bewusst kontrovers

Die Initiatoren verteidigen das Konzept der Ausstellung "Die Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg", die die Werkstatt der Kulturen nicht zeigen wollte. Heute sitzen die streitenden Parteien beim Integrations- beaufragten Günter Piening.

Die Befreier Europas vom Nazi-Joch kamen auch aus Indien und Afrika. „Die Dritte Welt stellte im Zweiten Weltkrieg mehr Soldaten als Europa und hatte mehr Kriegsopfer zu beklagen als Deutschland.“ Das sind schlagkräftige Sätze aus der Ausstellung „Die Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg“, die eigentlich in der Werkstatt der Kulturen gezeigt werden sollte, nach einem Eklat aber in die „Uferhallen“ im Wedding umziehen muss.

Diesen Freitag sitzen die streitenden Parteien beim Integrationsbeaufragten Günter Piening, der vermitteln will. Dabei wird es auch um die Frage gehen, wer die erheblichen Mehrkosten für den Umzug und den Nachdruck von Werbeflyern bezahlt. Die Leiterin der Werkstatt der Kulturen, Philippa Ebéné, hatte von 96 Ausstellungstafeln drei beanstandet, in denen es um die Kollaboration mit Nazi-Deutschland in Nordafrika und Palästina geht. Das widerspreche dem ursprünglichen Ausstellungskonzept, einer „Hommage an die Befreier“, so Ebéné. In diesem Zusammenhang auch die Kollaborateure zu nennen, sei rassistisch.

Der Kurator der Ausstellung, Karl Rössel, hat für diese Anschuldigungen kein Verständnis. Das Konzept sei seit Januar bekannt gewesen, bei einem Vorbereitungstreffen im Mai habe er Ebéné eine Mappe mit der Gliederung der Themenbereiche gegeben. Ein Hommage-Konzept habe es nie gegeben.

Vermittelt hatte die Ausstellung der Verein AfricAvenir, der den kulturellen Austausch zwischen Afrika und Europa fördern will. Vereinssprecher Eric Van Grasdorff kann sich den Konflikt nur mit „massiven Kommunikationsschwierigkeiten“ erklären. Inhaltlich stehe der Verein hinter Rössels Konzept, sei sich aber auch der kontroversen Themen bewusst.

Rössel beschäftigt sich schon seit zehn Jahren mit der weithin ausgeblendeten Rolle Afrikas und Südasiens im Zweiten Weltkrieg. In einem Radiofeature warf er deutschen Islamwissenschaftlern vor, die Rolle arabischer Kriegsverbrecher systematisch zu verharmlosen. Dabei ging es besonders um den Großmufti von Jerusalem, einem Nazi-Verehrer, der den Holocaust befürwortete und muslimische Männer für die SS rekrutierte.

Das „Zentrum Moderner Orient“ (ZMO), ein Nahost-Forschungsinstitut in Berlin, sah sich durch Rössels Vorwürfe diskreditiert. In der aktuellen Ausstellung hat Rössel seine Kritik an den Wissenschaftlern auf ein Zitat reduziert – dieses allerdings ist prominent platziert. ZMO-Sprecherin Sonja Hegasy weist einen Zusammenhang zwischen der Kontroverse mit Rössel und der Ausstellungsabsage durch die Werkstatt der Kulturen zurück. „Ich kenne Frau Ebéné gar nicht.“ Rössels Texte über die wissenschaftliche Aufarbeitung am ZMO seien „tendenziös“. Von einer Verharmlosung des Muftis in der Forschung könne keine Rede sein. „Es gab damals aber auch andere, nazi-kritische Stimmen in der arabischen Welt.“

Die Ausstellung wird von wissenschaftlichen Vorträgen begleitet. Der Historiker Raphael Scheck wird über „Hitlers afrikanische Opfer“ sprechen, Professor Kum’a Ndumbe aus Kamerun über die Kolonialpläne der Nazis und der Schriftsteller Peter Finkelgruen über das jüdische Ghetto von Shanghai.

- „Die Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg“, 1. bis 30. September, Uferhallen, Uferstraße 8-11, Wedding. Infos: www.3www2.de

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