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Dauerndes Hundegebell? Konnte das Gericht nicht feststellen - im Gegenteil. Für Lärmgutachten musste ein fremder Dackel vorbeigetragen werden, damit die Hunde anschlagen.

© Keilani

Berlin, FU und Anwohner: Bizarrer Streit um Hundegebell und Schafskot

Sie kaufen ein Haus neben einem lauten Objekt und klagen dann gegen Lärm - so brachten Zuzügler den Knaack Klub um die Existenz. Jetzt wollten Anwohner der Freien Universität Hunde und Schafe verbieten - und verloren.

Von Fatina Keilani

In der Dahlemer Edwin-Redslob-Straße ist es am Mittwochmorgen fast völlig still. Nur Vögel zwitschern, und jemand spielt Geige. Die Mitglieder der 10. Kammer des Verwaltungsgerichts stehen vor ziemlich neuen hellgelben Doppelhäusern. „Wo fangen wir an? Wir wollen hören und riechen“, sagt der Vorsitzende Michael Richter. „Im Moment rieche ich nichts, und ich höre auch nichts.“

Es geht mal wieder um Lärm und Gestank. Diesmal ist es keine laute Musik wie beim Knaack Klub, der 2010 schließen musste, weil seine Bässe die Nachbarn im neu errichteten Wohnhaus störten. Es geht auch nicht um die Lärmschutzmauer, die ein Investor gerade in Zehlendorf errichtete, um seine Immobilienkäufer vor störendem Kindergeschrei zu schützen. Diesmal muss sich das Verwaltungsgericht wirklich mit dem letzten Mist befassen: Der frische Schafskot in der Dunggrube drüben bei den Tiermedizinern stinkt zum Himmel. Das meinen jedenfalls die Anwohner. Und die Hunde bellen dort angeblich auch dauernd.

Den Klägern war es nie genug

Die Doppelhäuser wurden 2006 und 2007 gebaut. Seit 2008 beklagen sich die Bewohner über Gestank und Lärm vom Nachbargelände. Dort unterhält die Freie Universität zwei Institute, in denen auch Tiere leben, und zwar seit 1960. Die Uni hat nach eigenen Angaben schon 50 000 Euro aufgewendet, um den Klägern entgegenzukommen, sie hat leisere Lüfter eingebaut, lässt die Hunde morgens zwei Stunden später raus und hat jetzt auch noch die Dunggrube mit einem vergifteten Fliegengitter umzäunt, damit die Fliegen sofort sterben. Nie sei es den Klägern genug gewesen, sagt Anwalt Remo Klinger, der die Uni vertritt.

Das Gericht will nun selbst mal schauen und steht in Dahlem am Zaun, Ortstermin mit mündlicher Verhandlung. Der Richter diktiert ins Protokoll: „Die Beteiligten sind sich einig, dass sie nichts riechen und bis auf einmaliges Hundegebell auch nichts hören.“ Es waren natürlich über die Jahre immer wieder Lärmgutachter da, denn so ein Ortstermin ist nur eine Momentaufnahme. „Bei allen Gutachten war es nötig, die Beagles zum Bellen anzuregen, indem ein fremder Dackel vorbeigetragen wurde“, sagt der Richter, der die humoristische Komponente dieses Streits durchaus sieht: „Die Beagles haben sich geweigert, gemeinsam zu bellen.“ Auch bei maximalem Gebell wurden die Lärmwerte nicht erreicht.

"Für die Fliegen sind wir nicht zuständig", sagt der Richter

„Wie viele Hunde sind jetzt aktuell im Zwinger?“, will das Gericht wissen – Dank des Zauns zwischen den Grundstücken sieht man es ja nicht. Ein Institutsmitarbeiter ruft drüben an. Acht der zehn Hunde seien draußen. Sie könnten sich frei bewegen, laufen rein und raus. Auch später, als die Kammer das Institut und den Hundezwinger besucht, bellen die Tiere nicht. Erneuter Anruf im Institut: Bitte die Dunggrube aufmachen. Um 10.46 Uhr ein scharrendes Geräusch, die Grube ist offen. Laut Uni steht sie maximal eine Stunde pro Woche offen, um den Mist aus den Großtierställen dort abzuladen. An den restlichen Tagen sei sie nur wenige Minuten offen.

Die Kläger widersprechen. Der Bewohner eines Nachbarhauses, der zwar nicht an der Klage beteiligt ist, aber besonders akribisch Buch führt, hat beobachtet, dass die Grube täglich ein bis zwei Stunden offen sei. Sie ist jetzt schon eine Viertelstunde offen, und der Richter diktiert ins Protokoll: „Die richterlichen Mitglieder der Kammer sind sich einig, dass nichts wahrzunehmen ist.“ Der Klägerin P. fällt jetzt ein, dass nicht der Gestank, sondern die Fliegen das Schlimme an der Sache sind. „Für die Fliegen ist die 1. Kammer des Gerichts zuständig“, sagt der Richter halb ironisch, „Aber wir nehmen sie jetzt mal zum Dung dazu.“

Die Kläger wohnen zwar im allgemeinen Wohngebiet, doch auf der anderen Seite des Zauns ist ein Gewerbegebiet, und das heißt, sie müssen mehr Immissionen hinnehmen. Maßstab ist dann das Mischgebiet, als Kompromiss aus dieser Gemengelage. Bisher konnten sie mit keinem Gutachten nachweisen, dass die Belästigung größer ist als zulässig. Eher müssen sie sich die Frage gefallen lassen, weshalb sie ein Haus direkt neben einem solchen Institut kaufen. Das Gericht wies die Klage am Nachmittag ab. Es liege keine erhebliche Belästigung vor.

Das Thema bleibt. Am Rüdesheimer Platz versucht ein Anwohner derzeit, das Weinfest verbieten zu lassen. Seit Jahrzehnten schenken Winzer dort zwischen Mai und September Weine aus dem Rheingau aus. Der Bezirk hat sie verpflichtet, um 21.30 Uhr Schluss zu machen. Dem Anwohner reicht das nicht. Er hat jetzt einen Eilantrag gestellt, um die ganze Veranstaltung verbieten zu lassen. Darüber wird demnächst entschieden.

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