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Jede Woche trifft sich die Obdachlosen-Mannschaft von „Ocker-Beige Berlin“ in einer Schulturnhalle in Mitte. Jetzt steht der „European Homeless Cup“ bevor.

© Thilo Rückeis

Soziale Fußball-EM in Berlin: Wohnungslose kicken auf dem Breitscheidplatz

Am Freitag findet in Berlin die zweite Europameisterschaft für Wohnungslose statt. Mannschaften aus sieben Ländern reisen an – zu einer ganz anderen Art des Wettkampfs.

Harte Schüsse, heftige Zweikämpfe, lautes Rufen, eine Wunde am Ellenbogen und ein dickes Foul zum Schluss. So sieht ein Training bei der Fußballmannschaft „Ocker-Beige Berlin“ aus. Aber auch so: hoch motivierte Spieler, Lachen und Lob vom Schiedsrichter nach Spielende.

Bei „Ocker-Beige“ spielen Berliner Wohnungslose. Gerade bereiten sie sich auf den „European Homeless Cup“ vor, der am Freitag am Breitscheidplatz ausgetragen wird. Zwischen Europacenter und Gedächtniskirche treten zehn Teams aus sieben Ländern an. Der Cup soll vor allem eines: Menschen verbinden – Fußball ist da ein bewährtes Mittel.

Die Spiele gehen 15 Minuten, jedes Team besteht aus drei Feldspielern und einem Torwart. Die Nationalteams aus Belgien, Österreich, den Niederlanden, Ungarn, Polen, Litauen und Tschechien kommen dafür extra nach Berlin. Für Deutschland spielt die Mannschaft von „Ocker-Beige“.

Stephan von Dassel (Grüne), Bezirksstadtrat in Mitte, ist Schiedsrichter im Finale. Um 18 Uhr werden Norbert Wittke (SPD), Bezirksverordneter in Charlottenburg-Wilmersdorf, und Schauspieler Detlev Buck dem besten Team den Pokal überreichen und die fairste Mannschaft mit dem „Fair Play Pokal“ ehren.

Zum zweiten Mal findet der European Homeless Cup nun statt, das erste Mal wurde er vor zwei Jahren in München ausgetragen. Damals gewannen die bulgarische Frauen- und die rumänische Männermannschaft. Dieses Jahr werden gemischte Teams gegeneinander antreten.

Gruppengefühl statt Einzelkampf

„Ocker-Beige“ trainiert jeden Dienstag in einer Schulturnhalle in Mitte. Die beiden Sozialarbeiter Stefanie Seewald, 45, und Andreas Abel, 45, sind beim Training dabei. „Menschen auf der Straße sind oft Einzelgänger, jeder kämpft für sich allein“, sagt Abel. „Fußball ist aber ein Mannschaftssport. Die Spieler lernen hier ein Gruppengefühl kennen.“

Trainer der Mannschaft ist Malte Schruth. Der Sozialwissenschaftler trainiert neben „Ocker-Beige“ Jugendliche in einem Kreuzberger Fußballverein. „Am Anfang hatten wir Probleme, neue Spieler einzuführen“, sagt er. Denn beim Training tauchen zwar immer die acht bis zehn festen Spieler auf, aber alle anderen kommen unregelmäßig oder nur ein Mal. Mittlerweile werden die Neuen freundschaftlich integriert.

Schruth stellte auch fest, dass das Leistungsniveau der Spieler sehr verschieden ist, schließlich sind die Spieler zwischen 25 und 60 Jahre alt. Deswegen startet er jedes Mal mit drei Grundübungen. „Die Spieler sind sehr motiviert“, sagt er. Zur Arbeit von Stefanie Seewald und Andreas Abel gehört auch, das Angebot bekannt zu machen. Sie sprechen Wohnungslose auf der Straße oder in sozialen Einrichtungen an und erzählen ihnen vom Training in Mitte. Einziges Kriterium ist, dass man keinen Wohnraum angemietet hat oder besitzt.

Frust abbauen beim Training

Ralf ist gelernter Koch zur See. Vor drei Monaten kam er aus Südafrika zurück, wo er in einem Hotel als Koch gearbeitet hatte. Der gebürtige Berliner war lange in der Welt unterwegs und will hier nun wieder sesshaft werden. Eine Wohnung hat er bisher nicht gefunden, er lebt auf der Straße. Jede Woche kommt er zum Training, meistens steht der 56-Jährige im Tor. „Sport ist ein tierisch guter Ausgleich. Hier kann man auch Frust abbauen“, sagt er.

Der Verein „Anstoß! – Bundesvereinigung für Soziale Integration durch Sport“ hat den Europan Homeless Cup ins Leben gerufen. Der Berliner Streetwork-Verein „Gangway“ organisiert ihn als Gastgeber dieses Jahr vor Ort. „Anstoß!“ erhielt für die Meisterschaft eine Förderung der EU. Davon bezahlen die Veranstalter die Anreisekosten der Teams und die Unterbringung. Gangway holte sich die Berliner Sparkasse und den Paritätischen Wohlfahrtsverband als Förderer dazu, sodass für Verpflegung und Betreuung gesorgt ist.

Wettkampf gegen Vorurteile

Der Cup in der Nähe des Bahnhofs Zoologischer Garten, als einem der größten Berliner Treffpunkte von Wohnungslosen, soll auf die Not der Menschen aufmerksam machen. „Aber es geht auch um die Wahrnehmung von Wohnungslosen. Meist wird nur von den Problemen berichtet, von Drogensucht oder Alkoholismus“, sagt Abel. Dabei vergesse man die Fähigkeiten und Interessen, die Wohnungslose hätten. Solchen Vorurteilen will der Cup entgegenwirken und zugleich Wohnungslosen die Chance auf positive Erlebnisse geben.

Für den Cup am Freitag wünschen sich Spieler, Trainer und Sozialarbeiter alle das Gleiche: eine gute Stimmung bei den Teams und beim Publikum. Gewinner sind sie an diesem Tag alle.

European Homeless Cup, am Freitag, 26. Juni, ab 10 Uhr am Breitscheidplatz. Der Eintritt ist frei. www.european-homeless-cup.org

Jana Scholz

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