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Patrice Bouédibéla macht nicht nur Musik. Der Berliner verrät bei einem Treffen mit QIEZ was er an der Hauptstadt mag.

© imago

Berühmte Persönlichkeiten zeigen ihren Kiez: Auf einen Lachs-Bagel mit Patrice Bouédibéla

Ehemaliger MTV-Moderator, DJ, Blogger, Hobbyfotograf, astreiner Berliner: Patrice Bouédibéla kennt sämtliche Kreuzberger Straßenecken, seine Heimat ist der Bergmannkiez. Das Stadtteilportal QIEZ traf den Alleinunterhalter im Café Barcomi's.

Sich den Kreuzberger Bergmannkiez von Patrice Bouédibéla erklären zu lassen, das ist eine One-Man-Show. Der gebürtige Berliner kommt im Gespräch schnell in Fahrt, weiß um die streitfreudige Berliner Schnauze und den Schwaben-Hass. Schlimm findet er die Popularität Berlins aber gar nicht, an simplen Beispielen macht er fest, was für eine Bereicherung Zugezogene für Berlin sind. "Im Pergamon“, Patrice runzelt die Stirn: "dachte ich mir: Langweilig, muss raus!“ Wer, außer Touristen und City-Neulinge ging in Museen! "Umgekehrt geht's aber auch, viele Berliner sind nicht bereit, die Stadt zu verlassen für 'ne gute Möglichkeit“, sagt er. Sie blieben dann einfach hier, warteten und warteten auf Gelegenheiten, die von alleine nie kommen.

Vom Groben Unfug zum Videodrom

Zwischenzeitlich ordert der bekennende Jamie-Oliver-Fan einen "traditionell imperialistisch-amerikanischen Bagel“ bei einer Kellnerin, mit Lachs im Weißbrot, dazu Milchkaffee: "Habt ihr auch so hippes Zeug, wie in Prenzl‘ Berg? Mandelmilch? Oder nur so Sojamilch und Laktosefreies?“ Die Kellnerin ist ein wenig überfordert, Patrice übergeht das. "Okay, okay, ich nehm‘ aus Prinzip die normale." Dann wendet er sich wieder Berlin zu, gestikuliert nach links und rechts. Erste Adresse im Bergmannkiez, schon als Kind, war für ihn der Grobe Unfug, der Comicladen in der Zossener Straße. Auf seinen Bagel wartend schwärmt er auch vom Grande Gyros. Aufgewachsen in Reinickendorf ist er - ganz alleine, wie er beteuert, ohne Eltern - regelmäßig dorthin gefahren. Er sagt: "Das Geheimnis ist die Soße.“

Über sein eigenes Alter stolpert Patrice, als er "die erste Adresse für neue VHS“ aufzeigt, das Videodrom. Da lacht er nur, gibt selbstbewusst zu, dass er gerade 39 geworden ist. Veränderung ist für ihn gar kein Problem, die MTV-Zeiten sind vorbei und er ist nicht traurig darüber. Vor zehn Jahren sei es im Sender noch anders zugegangen, statt gepflegter, "cooler“ Langeweile spürte man da noch die Dringlichkeit. Jeder Bericht war "Hammer, müsst ihr sehn, Wahnsinn!“

Nicht ohne meine Kamera: Der Hobbyfotograf Patrice zieht oft auf Fototour.
Nicht ohne meine Kamera: Der Hobbyfotograf Patrice zieht oft auf Fototour.

© Kevin Grünstein

Als der Lachsbagel ankommt, zückt er erst einmal die Lumix und schießt ein Foto. Das ist sein Ding, Essen instagramen, Zeugs abfotografieren, Bekanntschaften ablichten. Wem das nicht passt, der hat Pech. Anecken? "Mach ich gern." Wobei … "Womit ich immer noch kämpfe, ist die eigene Eitelkeit.“ Sich mal nicht nur von der Schokoladenseite präsentieren, den Leuten was zum Lachen, zum Nachdenken und überhaupt, zum Kommunizieren geben, das will Patrice zukünftig in einem eigenen Blog erreichen. Vielleicht startet er damit noch dieses Jahr. Noch drückt er sich ein wenig vor dem Release, fürchtet die "Hungerzeit“ wenn zunächst nur wenige Besucher seine Einträge lesen. "Ich muss mir jeden Klick erarbeiten.“

"Berlin ist Hauptstadt, das müssen auch die Berliner verstehen."

Das ist ein bisschen wie mit Berlin selbst. „Arm aber sexy“ trifft in weiten Teilen schon nicht mehr zu, das weiß Patrice selber. Aber gerade wegen des Wandels ist Berlin ein einzigartiges Epizentrum, war es schon immer. "Hier kamen Bowie und Iggy Pop her, weil sie’s geil fanden. Und Teenies, und wenn’s nur für’s Coming-Out ist, das im Dorf nicht ging.“, sagt er. Und heute? Dass viel gutes Altes für unbekanntes Neues verschwindet, sieht Patrice locker.

"Das Holzig? Die machen bestimmt zwei Jahre Closing-Partys, wie die Stones auf Abschiedstour gehen.“ Als der Bagel völlig zerfleddert nur noch mit Messer und Gabel zu handhaben ist, schließt er: "Berlin ist zu Recht Hauptstadt. Das müssen das Land, aber auch die Berliner verstehen.“

Kein Thema, zu dem er keine Meinung vertritt. Den Bergmannkiez und das Barcomi’s als Treffpunkt hatte der Urberliner sich nicht einmal selbst ausgesucht, trotzdem weiß er, dass Cynthia Barcomi vor zehn Jahren zuerst die Rösterei und dann das Deli in Mitte gegründet hat. Wieder dreht er sich um die eigene Achse, zeigt auf die mit Blumentapete verzierten Wände und die rosa Farbe, sagt: "Damals, da sah der Laden hier ganz anders aus …“

Steht man das nächste Mal verloren an einer Straßenecke und fragt den nächstbesten Passanten nach dem Weg, kann man nur hoffen, dass es zufällig Patrice ist, der ihn erklärt.

Der Text erschien auf QIEZ.de, dem Berliner Stadtportal, das ein Tochterunternehmen des Tagesspiegels ist. Der Kreuzberg Blog kooperiert mit QIEZ.de.

Kevin Grünstein

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