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Uwe Steinmetz ist künstlerischer Leiter des Festivals. Sein Saxofon ist ein Nachbau eines Originals von Adolphe Sax und auch schon 80 Jahre alt.

© Thilo Rückeis

Saxofonfest in Charlottenburg: Gedächtniskirche feiert den 200. Geburtstag von Adolphe Sax

200 Jahre alt wäre Adolphe Sax am Donnerstag geworden. In der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche und rund um den Breitscheidplatz gibt es ein großes Fest für das Instrument, das er erfand.

Der Klang seiner Bassklarinette gefiel ihm nicht mehr. Deswegen baute Adolphe Sax kurzerhand ein neues Instrument. Der am 6. November 1814 im belgischen Dinant an der Maas geborene Musiker brachte seine Neuerfindung nach Paris, fand einen Finanzier – und hatte damit das Saxofon erfunden. 1846 bekam Adolphe Sax das Patent auf das Instrument und baute eine ganze „Familie der Saxhörner“.

Sax baute das Instrument in acht Größen, alle Stimmlagen vom kleinen Sopranino bis hin zum großen, schweren Baritonsaxofon. Am Donnerstag wäre er 200 Jahre alt geworden, ein Grund für die City West, ein großes Fest für sein Instrument zu veranstalten. Bekannte und weniger bekannte Saxofonmusiker feiern ab Donnerstag in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche auf dem Charlottenburger Breitscheidplatz.

Die Idee stammt vom Pfarrer

Die Idee dazu stammt – natürlich – von Martin Germer, Pfarrer in der Gedächtniskirche. Germer ist bekennender Saxofon-Fan. „In den letzten Jahren haben viele Saxofonisten in unserer Kirche gespielt“, sagt er. Zum Beispiel bei den Sommerjazzkonzerten oder während der Jazzpop-Gottesdienstreihe. Deswegen beschloss Germer, den Geburtstag des Saxofonerfinders in seiner Kirche zu feiern. Kirche und Kultur, das gehört für den evangelischen Pfarrer ohnehin zusammen. Der Saxofonist Uwe Steinmetz, Mitglied in Germers Gemeinde, ließ sich schnell begeistern. Seit Beginn des Jahres planen beide das große Geburtstagsfest, laden Saxofonspieler und Komponisten ein und werben in Einkaufszentren und Hotels rundum für die Unterstützung ihres Projekts.

Klangmeile mit 200 Musikern

Germer und Steinmetz haben ein umfangreiches Programm auf die Beine gestellt. Am Donnerstagnachmittag geht es um 15 Uhr mit einer Klangmeile rund um den Breitscheidplatz los. Amateur- und Profimusiker, Schüler und Studenten wollen auf dem Platz vor der Kirche, vor dem Europa-Center und am Neuen Kranzler-Eck spielen. Insgesamt erwartet Germer 200 Alt-, Tenor-, Sopran- und Baritonsaxofonisten, einen für jedes Jahr seit der Geburt von Adolphe Sax.

Parallel dazu spielen in der Eingangshalle des Bahnhofs Zoo die Big Band des Heinz-Berggruen-Gymnasiums, Studierende der Musikhochschule Hanns Eisler, zwei Saxofonquartette und Schüler der Berliner Musikschulen.

Seine größte Zeit in Berlin hatte das Saxofon in den „Goldenen Zwanzigern“

Berlin, Hauptstadt des Saxofons. „So, wie es im Berlin der 1920er Jahren war“, sagt Saxofonist Steinmetz. Damals kam die Jazzmusik aus den USA nach Berlin und mit ihr der „Saxofonwahnsinn“. Es war die Zeit von Fletcher Henderson und Benny Goodman. Mit Trompeten, Posaune, Schlagzeug und Bass traten Alt- und Tenorsaxofonisten in Big Bands gemeinsam auf. Die Ensembles spielten tanzbare Swingmusik, ein großer Erfolg in Berliner Salons. Im damaligen Berlin gehörte Swing zum Lebensgefühl.

Die Nationalsozialisten setzten dem ein jähes Ende, sie nannten sie abfällig „Negermusik“ und verboten sie.

Alles ist möglich

Auch heute ist das Saxofon vor allem im Jazz bekannt. „Es ist jedoch mehr als das“, sagt Steinmetz. „Das Saxofon ist ein Brückenbauer.“ Kein anderes Instrument könne so vielfältig eingesetzt werden. Solo, zu viert oder mit Orgel, im Militärorchester oder in Big-Band-Besetzung, von Bach, Bizet und Beethoven über deutsche Armeemärsche wie „Preußens Gloria“ bis hin zu Jazz, Swing und Blues. Vertreter der „jungen Saxofonmusik“ kombinieren den weichen Klang des Holzblasinstruments auch mit elektronischer Musik. „Mit dem Saxofon ist alles möglich“, sagt Steinmetz.

Es passt genauso in die Kirche wie in den Konzertsaal, in Kneipen und Clubs. An Adolphe Sax’ Geburtstag soll von allen Musikrichtungen etwas zu hören sein. Beim Geburtstagskonzert um 20 Uhr in der Gedächtniskirche wird die Geschichte des Instruments anhand von Werken und Komponisten aus 200 Jahren Saxofonmusik nacherzählt. Werke vom Berliner Gustav Bumcke, der das Instrument bereits Anfang des 20. Jahrhunderts nach Berlin brachte, sind ebenso zu hören wie die neuesten Interpretationen von Uli Kempendorff, der die junge Generation von Saxofonisten in Berlin vertritt.

Musik aus der Turmruine

Bereits eine Stunde vor Konzertbeginn gibt es einen besonderen Höhepunkt. In der einstigen Chorempore des weitgehend zerstörten alten Kirchturms spielt das Saxofonquartett clair-obscur, die Musik wird elektronisch verstärkt nach draußen übertragen. Erst in der vergangenen Woche war der Turm nach mehr als vier Jahren Bauzeit vom Gerüst befreit worden.

Hier habe auch alles angefangen, erinnert sich Germer. 2009 spielte Steinmetz bei einem der vielen Benefizkonzerte, die Spenden für die Turmrestauration sammelten. Dort lernten sich der Pfarrer und der Saxofonist kennen.

Das gesamte Programm finden Sie unter www.sax200.de

- Der Artikel erscheint auf dem Ku'damm-Blog, dem Online-Magazin für die westliche Innenstadt.

Turmbläser. Das Saxofonquartett clair-obscur im alten Kirchturm.

© Cay Dobberke

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