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Blick von der Cuvrybrache auf die Spree.

© Jörn Hasselmann

Berlin-Kreuzberg: Land ohne König: Ein Besuch auf der Cuvrybrache

Hochwertige Wohnungen sollen auf der alten Grünfläche in der Kreuzberger Cuvrystraße entstehen. 2012 kamen die ersten Besetzer. Wie es weitergeht, das weiß keiner hier. Fest steht: Wenn irgendwann ein Investor bauen will, wird die Polizei räumen.

Die Gentrifizierung nähert sich auch der Kreuzberger Cuvrystraße unaufhaltsam. Direkt gegenüber der wohl berühmtesten Brache der Stadt reißen zwei Bagger gerade einen Gewerbebau aus der Nachkriegszeit ab. Als für diese Baustelle vor ein paar Wochen Halteverbotsschilder aufgestellt wurden, befürchteten viele eine Räumung ihres Grundstücks, das andere Slum oder Favela nennen. Im Internet wurde um Unterstützung getrommelt.

Vier Wochen später hat sich die Lage so beruhigt, dass am Sonnabend ein „Tag der Offenen Cuvry“ gefeiert wurde. Allerdings wussten längst nicht alle der geschätzt 100 bis 150 Bewohner davon – und wenn doch, war es vielen egal. Zum Beispiel den Rumänen und Bulgaren. Sie kamen vor einigen Monaten und haben sich „sehr schnell“, wie ein deutscher Unterstützer berichtet, eine Art Hauptstraße hochgezogen: Die Bretterbuden wie Reihenhäuser akkurat ausgerichtet, mit Stromgeneratoren, Türen und Fenstern. Jede Hütte hat eine Veranda, hier hocken Frauen auf Sperrmüllsofas. Kinder spielen im Staub. Es sind teilweise die Roma, die Ende Dezember aus der Eisfabrik in Mitte, einen Kilometer entfernt, vertrieben wurden. Nun leben sie neben Lebenskünstlern sowie polnischen und deutschen Obdachlosen. Deren Hütten und Zelte sind wild verstreut, im Dickicht des Wildwuchses verborgen, mit versteckten Gängen und überraschenden Lichtungen.

Der König ist fort

An einer Blockhütte kündet ein Schild vom „König des Dorfes“. Doch der ist nicht zu sprechen, sagt eine freundliche Südamerikanerin. König sei ein japanischer Architekt gewesen, der die Cuvry mit seiner italienischen Frau als Wochenendlaube nutzte. Nun seien die beiden weg, sie kapitulierten vor „Aggressivität, Zerstörung und Destruktivität“, wie die Unterstützerin berichtet. Zwei polnische Flaschensammler hocken nun im Garten der japanischen Laube mit der akkurat mit Bohlen eingefassten viereckigen Feuerstelle und trinken Bier.

Staub, Sonne und ein Schild. Zwischen Zelten und Hütten liegt auch viel Müll. Der König ist nicht mehr da.

© Jörn Hasselmann

Kontakt scheint es zwischen den Gruppen nicht so recht zu geben. Und der mit den Bewohnern der Altbauten rundum scheint auch nicht der beste zu sein. „Wir wissen, dass es schwer ist, mit den durch die Besetzung entstehenden Beeinträchtigungen umzugehen“, heißt es in einem Flugblatt, das in umliegenden Häusern verteilt wurde. Und weiter: „Störungen der Nachtruhe, Müll etc. können wir leider nicht immer verhindern.“

Der Müll ist nicht zu übersehen

Am Sonnabendmittag ist es ruhig, einige spielen leise Gitarre, die Roma-Kinder machen weniger Krach als jeder Spielplatz. Nur der Müll ist nicht zu übersehen.  Viele Touristengruppen schlendern mittags einmal über das Grundstück, machen ein paar Fotos und sind schnell wieder weg. Die „Chill-Lounge“ („alle Getränke ab zwei Euro“) ist noch nicht offen. Und Staub und Sonne allein animieren nicht zum Bleiben. Die Reiseführer, die die Brache international bekannt gemacht haben, berichten von romantischen Sonnenuntergängen direkt an der Spree.

Die Spree ist es auch, die die Brache so wertvoll macht. Hochwertige Wohnungen sollen auf der alten Grünfläche entstehen. 2012 kamen die ersten Besetzer. Wie es weitergeht auf der Cuvry, das weiß keiner hier. Wenn irgendwann ein Investor bauen will, wird die Polizei räumen. Bis dahin ist hier Tag der offenen Tür – jeden Tag.

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