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Die Uferhallen in Berlin Wedding.

© Doris Spiekermann-Klaas TSP

Sorge um Uferhallen in Berlin-Wedding: Ein einzigartiger Kunststandort ist wieder einmal in Gefahr

Kunstschaffende, die ihre Ateliers auf dem Gelände haben, schlagen Alarm - ihre Zukunft dort ist weiterhin nicht gesichert.

Von Patricia Wolf

| Update:

Seit nunmehr über 15 Jahren bieten die Uferhallen im Wedding mehr als 100 Künstlerinnen und Künstlern Arbeits- und teils auch Lebensraum. Nicht zuletzt dank (bisher) erschwinglicher Mieten hat sich auf dem knapp 20.000 Quadratmeter großen, an der Panke gelegenen Gelände mit 80 Ateliers und Atelierwohnungen ein einzigartiger Kulturstandort entwickelt, der auch über den Wedding hinaus eine große Anziehungskraft auf die Kreativszene ausübt. Der Ruf Berlins als Kunstmetropole gründet sich auch auf solche außergewöhnlichen Orte.

18.900
Quadratmeter misst das gesamte Gelände

Doch nun schlagen die Kunstschaffenden – unter ihnen bekannte Namen wie Monica Bonvicini – Alarm und weisen auf eine ungewisse Zukunft hin - nicht nur für ihre Arbeitsstätten, sondern für den gesamten Kulturstandort. In einem offenen Brief von Anfang Mai heißt es: „Nach einem fünfjährigen Marathon mit zähen Verhandlungen – verbunden mit einem Auf und Ab von Hoffnungen und Enttäuschungen – steht der Kulturstandort Uferhallen vor dem drohenden Aus. Wenn keine sofortige Lösung gefunden wird, befürchten die ansässigen Künstler*innen ab Ende Mai die ersten Kündigungen.“

2017 erwarb eine Immobilienfirma das Gelände

Zum Hintergrund. Die Hallen haben eine lange Geschichte. Auf dem Gelände reparierte einst die BVG Busse und Straßenbahnen. 2017 erwarb ein Investor, die ArgoPrato, die Mehrheit der Anteile an den Uferhallen. Dahinter steht Alexander Samwer, bekannt geworden als einer von drei Brüdern, die mit Rocket Internet unter anderem Zalando gegründet haben. Inzwischen zählen die drei Brüder zu den größten Immobilienbesitzern und -entwicklern in der Hauptstadt. Als sie 2017 das Areal erwarben, sagten sie den Künstlerinnen auf dem Gelände zunächst ein Bleiberecht zu. Man wolle niemanden verdrängen, hieß es damals. Der Standort sollte einer kulturellen Nutzung dienen.

Zusage galt nicht lange

Das galt jedoch nur wenige Jahre – bis das Unternehmen bauen wollte. 2021 gab es nach zähen Verhandlungen zwischen Senat, Eigentümern und Künstler:innen einen sogenannten Letter of Intent. Darin wurde dem Eigentümer zugesichert, dass er seine geplanten Bauten – unter anderem ein 13-stöckiges Hochhaus - auf dem unter Denkmalschutz stehenden Gelände realisieren dürfe. Es wurde gemeinsam ein Bebauungsplan entwickelt, in dem Teile des Areals als Sondergebiet für kulturelle Nutzung ausgewiesen wurden.

Die Hallen aus rotem Klinkerstein beherbergen neben den Ateliers und Atelierwohnungen auch Tanz- und Proberäume. Wo einst die BVG das Gelände nutzte, ist heute ein Veranstaltungsort mit Tonstudios, einer Konzert- und Ausstellungshalle, einem Café entstanden. Der damals gemeinsam entwickelte Plan beinhaltete auch die Verlängerung der geltenden Mietverträge der Künsterl:innen vor Ort.

Ende des Verfahrens

Doch im Januar 2023 wurde das Verfahren plötzlich einseitig vom Eigentümer – inzwischen heißt die Firma Marema GmbH – aufgekündigt, wie die Künstler in einem offenen Brief darlegen, wie es auf der Website der Uferhallen steht und wie auch Mittes Bezirksstadtrat für Stadtentwicklung Ephraim Gothe (SPD) im Gespräch mit dem Tagesspiegel bestätigte. Laut den Künstlerinnen seien wirtschaftliche Erwägungen angeführt worden – was sie für eine vorgeschobene Begründung halten.

Diesen Darstellungen widerspricht die Marema GmbH: Das beschriebene Verfahren sei nicht von ihr einseitig aufgekündigt worden. Vielmehr haben sich die beteiligten Parteien, darunter die Kulturverwaltung, der Bezirk und der Eigentümer auf eine Pausierung des Bebauungsplanverfahrens verständigt, um gemeinsam in den nächsten Monaten die planerischen Ziele neu zu erörtern.

Gothe vermag hingegen nachzuvollziehen, dass „dramatisch gestiegene Baukosten“ und die Erhöhung der Bauzinsen durchaus zu einem Umdenken geführt haben könnten. Der stellvertretende Bezirksbürgermeister, der die Verhandlungen stets begleitete, erklärt am Telefon, man habe im Januar quasi kurz vor einem Durchbruch gestanden, als der Rückzieher seitens des Eigentümers kam.

Das Wandbild des Künstlers Lois Weinberger auf dem Gelände (2022) kann auch gelesen werden als Auseinandersetzung mit der Lage.

© Doris Spiekermann-Klaas

Was die Situation insgesamt nicht einfacher gemacht habe, sei die Wiederholungswahl im Februar gewesen. In deren Folge müsse sich schließlich vieles neu justieren. Gothe hofft daher, dass unter dem neuen Kultursenator Joe Chialo (CDU) erkannt wird, welchen Schatz dieser besondere Kulturstandort darstellt - und dass man alsbald zu gemeinsamen Gesprächen an den Verhandlungstisch zurückkehrt und den Kunstschaffenden ein Generalmietvertrag angeboten wird.

Ich hoffe auf eine baldige Rückkehr der Beteiligten an den Verhandlungstisch

Ephraim Gothe, Bezirksstadtrat von Mitte

Die künstlerische Strahlkraft Berlins ist nicht zuletzt auch ein wirtschaftlicher Faktor. Ihren Ruf als Kunstmetropole hat die Stadt auch solchen Kulturstandorten zu verdanken, die es mit erschwinglichen Mieten den Künstlerinnen ermöglichen, ihrer Kunst intensiv nachzugehen, ohne zu viel Zeit und Energie in Nebenjobs investieren zu müssen.

Verliert Berlin seinen Ruf als Kunstmetropole?

Berlin wird seine Anziehungskraft nur erhalten können, wenn die Kreativen auch weiterhin Bedingungen vorfinden, zu denen sie anständig leben und arbeiten können. Die Uferhallen stehen dabei exemplarisch für die fortschreitende Gentrifizierung der Stadt – wenn rein renditeorientiertes Handeln das Schicksal solcher Kleinodien bestimmt, werden die Künstlerinnen Berlin den Rücken kehren und die Stadt ihren Ruf als Kunstmetropole verlieren.

Anmerkung der Redaktion: Wir haben den Text um eine Stellungnahme der Marema GmbH ergänzt.

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