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Miriam und Marc Ebel haben sich mit ihrem Café "Froilein LoPa" einen Traum erfüllt - und all ihr Geld hier investiert

© Raack

Eigentümerstreitigkeiten in Zehlendorf: Warum gegen ein kleines Café geklagt wird

Das Froilein LoPa ist ein kleines Café in einer ruhigen Wohngegend. Ein paar der Wohnungseigentümer im Haus klagen gegen das Café. Schon das Family2Go und ein Gemüseladen um die Ecke wurden kürzlich rausgeklagt. Ist Zehlendorf zu intolerant?

„Ich musste gestern Abend beim Fernsehen an Sie denken“, begrüßt Miriam Ebel eine ältere Dame herzlich und bringt ihr die geblümte Speisekarte. Die Dame möchte ein kleines Frühstück. „Wieder mit Croissant oder diesmal lieber mit Brötchen?“, will Miriam Ebel mit einem Strahlen wissen. Die blonde junge Frau hat für jeden Gast ein Lächeln und eine Empfehlung aus der Karte parat. „60 Prozent der Gäste, würde ich sagen, kenne ich mittlerweile. Viele kommen in der Mittagspause und lesen ihre Zeitung, und wir haben auch manchmal geschlossene Gesellschaft für Geburtstagsfeiern oder Beerdigungen.“ Der Laden läuft, könnte man sagen.

„Ich hatte immer den Traum, ein eigenes Café zu eröffnen“, sagt Geschäftsführerin Miriam Ebel. Die Räume ihres Schwiegervaters in der Scharfestraße waren frei geworden, „und da dachte ich mir: Jetzt oder nie!“

Seit Anfang 2014 gibt es nun das Froilein Lo Pa. Über dem Kamin hangelt sich eine Lichterkette über ein vergoldetes Hirschgeweih. Eine alte Zuckerdose erinnert an Großmutters Wohnzimmer, an jeder Speisekarte baumelt eine herzförmige Schelle. „Mein Steckenpferd ist das Dekorieren. Was man aus einzelnen Dingen machen kann, fasziniert mich“, sagt Miriam Ebel. 

Die ganze Familie hilft mit: Ihr Mann Marc Ebel steht in der Küche, von ihrer Mutter, die gerade im Hintergrund ein „Malheur“ vom Boden aufwischt, stammen die Kuchen in der Vitrine: Mohn-Pfirsich, Käse-Kirsch, American Cheesecake, Walnuss - und die Marmeladen. Auch Bruder Niklas ist mit an Bord. Er verarbeitet selbst gesammelte und angebaute natürliche Zutaten und verkauft sie unter dem Namen "Der Waldläufer" in Froilein LoPas „Speisekammer“, etwa selbst geschleuderten Honig und Tomaten- und Bärlauchpesto. Es hänge schon vieles an so einem Café, meint seine Schwester, und es dauere, bis alles eingespielt ist und jeder seine Aufgabe hat. "Aber es ist ein gutes Gefühl, die Herausforderung anzunehmen und trotz Widerständen etwas zu wagen.“

Und Widerstände hat Familie Ebel seit der Eröffnung im Januar 2014 einige zu überwinden. „Ich frage mich manchmal, ob mein Lebenstraum zum Lebenstrauma wird“, sagt Miriam Ebel ernst.

Von den insgesamt 14 verschiedenen Wohnungseigentümern im Haus haben zwei Parteien nun gegen das LoPa geklagt. Den Klägern sei das Café zu laut und die Küche rieche zu sehr. Außerdem beschweren sich die Hausbewohner über Geräusche vom Vorplatz.

Das Problem: In der Teilungserklärung aus dem Jahr 1991 sind die Räume im Souterrain als Ladengeschäft deklariert. Darauf stützen sich die Kläger. "Hätte mein Schwiegervater seine Räume hier damals als Geschäftsräume oder gleich als Café deklariert, hätten wir heute kein Problem", seufzt Miriam Ebel.

Stephan Ebel, ihr Schwiegervater ist bis heute Eigentümer der Räume. Er hatte auf der Fläche des heutigen Café LoPa neun Jahre lang selbst ein Geschäft gehabt, den "Futternapf". Sein Sohn Marc Ebel erinnert sich "Mein Vater hat hier bis 1995 tonnenweise Frischfleisch, Pansen und andere stark riechende Delikatessen für Hunde verkauft." Die Hausbewohner, die sich jetzt über Gerüche und Geräusche aus dem LoPa beschweren, zogen noch zu "Futternapf"-Zeiten ein. „Das war ein Hundemetzger, die Kunden standen zum Teil bis auf die Straße, und die mitgebrachten Hunde haben natürlich schon auch mal gebellt“, erzählt Marc Ebel. „Die Leute wussten also, worauf sie sich einlassen. Und nach dem Futternapf hatte sich hier unter anderem eine indische Familie eingemietet, die immer sehr stark gewürzte Speisen kochte.“

"Unser ganzes Geld steckt im Café"

Insofern sei es unverständlich, dass die Leute sich so über ihr Café beschweren. Ohnehin habe das LoPa sehr begrenzte Öffnungszeiten: Dienstag bis Samstag ab zehn bis 17.30 Uhr. Und Lärm könne von den Gästen auch eigentlich keiner mehr ausgehen: Die Stühle draußen vor dem Café sind auf ein Rasenstück an der Scharfestraße Ecke Milinowskistraße gezogen. Seit Anfang Mai stehen die vier Tische nicht mehr direkt vor dem Eingang des LoPa, sondern nun etwa 20 Meter weiter unter einer großen Kastanie. Für die nächsten drei Jahre haben die Ebels diese Fläche vom Tiefbauamt gemietet.

„Das hat wieder ein paar Tausende gekostet: Die Lizenz, die Miete und die Befestigung der Fläche. Unser ganzes Geld steckt hier im Café,“ sagt Miriam Ebel. Schließlich musste die Fläche erst brandschutzsicher gemacht und die Decke gegen Lärmbelästigung abgedämmt werden. „Warum nur schafft man es nicht, dass wir uns alle an einen Tisch setzen und die Probleme so aus der Welt schaffen“, fragt sie sich. „Da muss man doch nicht gleich klagen. Und es ist ja nicht so, dass ich mich nicht ändere, dass ich sage, die anderen sollen sich ändern.“

Dabei wissen es viele Gäste von Froilein LoPa zu schätzen, dass auch gerade in dieser Wohngegend mal etwas neues aufmacht, ohne die alt eingesessenen Läden zu vertreiben. „Wie schön, dass es in Zehlendorf nun auch so was gibt“, sagt eine junge Frau, die mit ihren beiden Kindern um die Ecke wohnt und regelmäßig ins LoPa kommt. „So was brauchen wir hier.“

Eine der beiden klagenden Eigentümerparteien im Hause von Froilein LoPa allerdings sieht das anscheinend anders. Das Ehepaar war vor Jahren aus Schöneberg hierher gezogen, weil sie die Ruhe in Zehlendorf suchten, weiß Miriam Ebel. Der andere Wohnungseigentümer wohnt selbst nicht im Haus, sondern hat seine Wohnung an einen jungen Mann vermietet. Der scheint mit dem Café überhaupt kein Problem zu haben, wie er den Ebels selbst gesagt hat. Der Eigentümer sei sehr nett zu den Ebels, wie sie sagen, hat aber eben doch geklagt.

„Er hat Angst, dass es brennen könnte, dass die Ausgüsse verstopfen. Und er möchte sich absichern, dass seine Vermögensanlage nicht an Wert verliert“, weiß Marc Ebel, mit dem der Herr sich letztens unterhalten hat. „Diese Ängste kann ich ja verstehen. Aber wir treffen alle Vorsichtsmaßnahmen und haben auch extra ein neues Abluftsystem eingebaut, die Tische stehen nun außerhalb. Und dass vielleicht ab und zu mal ein Kinderwagen draußen steht, dürfte doch kein Problem sein.“

Von juristischer Seite verspreche man ihnen wenig Chancen. "Es sei denn, wir ändern die Teilungserklärung. Aber dafür bräuchten wir die Mehrheit der Eigentümer auf unserer Seite. Die sind wir zwar auf unserer Seite, aber nicht öffentlich." Niemand wolle es sich mit den anderen verscherzen.

Wenn die Kinderkurse anfingen, stand die Polizei auf der Matte

Auch Sabine Gammert holte sich bis vor einem halben Jahr regelmäßig ihren Kaffee im LoPa. Sie betrieb seit dem Jahr 2012 um die Ecke das Family2Go, gab jungen Müttern dort Tai Chi-Kurse, Yoga für Kinder, und es gab dort ein Massage- und Kosmetikstudio. Die Räumlichkeiten waren vorher völlig unsaniert. Gammert sanierte für 80.000 Euro die Elektrik, die Böden und die sanitären Anlagen. Was sie nicht wusste: Die Eigentümer, die über dem Family2Go wohnten, hatten schon alle Läden und Projekte vor ihnen "rausgeekelt".

Auf den ersten Blick friedlich - doch nicht alle Hausbewohner freuen sich über den Cafébetrieb
Auf den ersten Blick friedlich - doch nicht alle Hausbewohner freuen sich über den Cafébetrieb

© Raack

"Schon vor der Eröffnung hat man mich verklagt. Wegen Lärm und Ruhestörung", erzählt sie am Telefon. Sie ist gerade auf dem Rückweg von einem ihrer Sportkurse. "Und das an der lauten Clayallee, das muss man sich mal vorstellen, wo alle fünf Minuten ein Bus quietschend hält und die Feuerwehr ständig mit Sirene vorbeifährt. Aber wenn bei uns um 18 Uhr Kinderkurse anfingen, stand die Polizei auf der Matte." Aber auch hier waren die Räumlichkeiten in der Teilungserklärung als "Ladengeschäft" deklariert. "Wir hätten gar nicht das machen dürfen, was wir gemacht haben. Und deshalb haben die Kläger mit zwei Anwälten und viel Geld gewonnen", resümiert Frau Gammert.

Das sei ihnen, wie Gammert heute weiß, in den Jahren zuvor auch schon mit einer Zahnarztpraxis, einem Waschsalon und einem Bäcker gelungen. Das Gericht habe nun daher verfügt, dass nur noch etwas "ruhiges" wie eine Physiotherapiepraxis in die Räume ziehen dürfe. Die zwei Jahre in Zehlendorf habe Gammert jedenfalls wegen all der Beschwerden als sehr anstrengend empfunden. Der kleine Gemüseladen nebenan, der nach wenigen Monaten raus musste, hat mittlerweile in Halensee eröffnet, der Kosmetiksalon ist nach Wilmersdorf umgezogen.

Und auch Sabine Gammert muss sich nun umorientieren. Sie habe in ihr Zehlendorfer Projekt viel Geld versenkt. "Von der Kaution sehe ich wahrscheinlich nur noch einen Bruchteil, genau wie von meinen Investitionen. Und die Sicherheit, die ich durch das Family2Go aufbauen wollte, habe ich nun natürlich auch nicht," sagt sie. Besonders bitter für Gammert: Drei Wochen nachdem sie den Schlüssel Anfang Januar 2015 zurückgegeben hatte, zog das klagende Lehrerehepaar aus dem Haus aus, ihre Wohnung über dem Family2Go hatten sie verkauft. Der Laden steht seither leer.

Die Autorin schreibt für den Tagesspiegel und für Tagesspiegel Zehlendorf, das digitale Stadtteil- und Debattenportal aus dem Berliner Südwesten, auf dem dieser Text erscheint. Folgen Sie Maike Edda Raack auch auf Twitter.

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