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Pfarrerin Dr. Rajah Scheepers im gesperrten Innenraum der Matthäuskirche.

© Boris Buchholz

Kirche gesperrt: Baufällige Steglitzer Matthäuskirche soll energetische Modellkirche werden

Seit Ostern ist die Kirche gesperrt, Lampen drohten von der Decke zu fallen, es gab Feuergefahr. Der Plan ist, die Kirche mit 1,2 Millionen Euro zu einem ökologischen Vorzeige-Gotteshaus zu machen.

Über acht Kilo ist eine der zahlreichen Lampen schwer, von denen der hohe Innenraum der Steglitzer Matthäuskirche erhellt wird. Peter Behrendt, Mitglied von Gemeindekirchenrat (GKR) und Bauausschuss, stemmt das Corpus Delicti in die Höhe, es ist sichtbar anstrengend. „Die Fassungen sind porös, die Lampen könnten aus dem Gewölbe herunterfallen“, erklärt Pfarrerin Rajah Scheepers. Auch die alte Elektroanlage, genauer die Leitungen in der Zwischendecke zum Dachstuhl, ist gefährlich; ein neues Fachgutachten warnt vor einem möglichen Kabelbrand. Für die Sicherheit der Gottesdienst- und Konzertbesucher könne die Gemeinde nicht garantieren, sagt Pfarrerin Scheepers, „deshalb mussten wir die Kirche zu Aschermittwoch schließen“.

Dass die Elektroanlage erneuert werden muss, weiß die Gemeinde seit dem letzten Sommer. „Es ist eine gewachsene Elektroanlage seit 1880 – und da wurde immer etwas hinzugefügt und verbessert“, erklärt Scheepers. Die Elektrik sehe aus, „wie so eine Anlage eben aussieht nach 137 Jahren“.

Vor fast einem Jahr ließ der Gemeindekirchenrat die Substanz der Kirche überprüfen; Auslöser dafür war damals die Havarie der alten Heizung. „Wir wollten die energetisch sinnvollste Lösung für eine neue Heizungsanlage finden“, erläutert Rajah Scheepers. Nicht nur die Wärmeerzeugung selber, sondern auch der gesamte Wärmeverteiler müssen erneuert werden. Monatelang hat sich die Gemeinde mit dem Senat abgestimmt, damit die Sanierung der Kirche im Rahmen des Berliner Programms für nachhaltige Entwicklung (kurz: BENE) gefördert werden kann. „Wir haben auch schon einen Vorbescheid in Höhe von 240.000 Euro“, sagt die Pfarrerin, „und zwar als erste Kirche überhaupt“. Die Matthäuskirche soll Modellkirche dafür werden, wie man die großen neogotischen Kirchen Berlins energetisch sinnvoll sanieren kann.

Fachplaner entdeckte gefährliche Leitungen

Da bei einer energetischen Sanierung auch der Stromverbrauch auf dem Prüfstand steht, ließen die Kirchenverantwortlichen ein neues Lichtkonzept erstellen – der Fachplaner kam, sah, prüfte und empfahl aufgrund der Leitungsmängel und dem Zustand der Lampen die sofortige Schließung der Kirche. Der ursprüngliche Plan, die Sanierung in relativer Ruhe ab dem Sommer zu betreiben, war dahin.

Für die Gemeinde kam diese Botschaft zur Unzeit: Noch sind Bauarbeiter außen an der Kirche damit beschäftigt, die letzte große Baustelle abzuschließen – der Kirchturm drohte 2014 einzustürzen (der Tagesspiegel berichtete). 15.000 Steine wurden seitdem ausgetauscht, dreißig Kilometer Fugen ausgefräst und neu gefüllt. Für die Gemeinde war die Rettung des Turmes ein Kraftakt, auch ein finanzieller. Zwei Jahre lang durften die Kirchenglocken nicht läuten, um den Turm nicht ins Wanken zu bringen.

Improvisiertes Gemeindeleben im Warmen

Jetzt findet das Gemeindeleben im Großen Saal des Gemeindehauses statt. Am letzten Sonntag besuchten 120 Menschen den Gottesdienst. Es wird improvisiert, doch können viele Besucher dem Ausweichquartier positive Seiten abgewinnen: Es sei hell, warm und familiär, berichtet die Pfarrerin. „Warm war es definitiv schon lange nicht mehr in unserer Kirche“, die aufgestellte Bauheizung habe es nicht geschafft, den riesigen Kirchenraum, der bis zu 1000 Menschen fasst, auf eine angenehme Temperatur zu bringen. „Es ist allerdings ein anderer gottesdienstlicher Charakter, ob ich in einem Saal oder in einer Kirche bin“. Deshalb feierte die Matthäusgemeinde das Osterfest in der benachbarten baptistischen Gemeinde, die Konfirmationsfeier findet dieses Jahr in der Martin-Luther-Gemeinde in Lichterfelde statt. Doch Rajah Scheepers will zurück in ihre Kirche, so schnell es geht: „Ich bin Pfarrerin und nicht Baulöwin.“ Der erste Gottesdienst in der erneuerten Kirche soll am 1. Advent diesen Jahres gefeiert werden.

GKR-Mitglied Peter Behrendt zeigt eine der acht Kilogramm schweren Deckenleuchten
GKR-Mitglied Peter Behrendt zeigt eine der acht Kilogramm schweren Deckenleuchten

© Boris Buchholz

Ein ambitioniertes Vorhaben: Die Zuversicht, die Kirche so schnell wieder beziehen zu können, begründet Pfarrerin Scheepers mit Gottvertrauen und den guten Erfahrungen mit ihrem Architekten, der auch schon die Turmsanierung betreut hat. „Wir werden sieben Baustellen auf einmal in der Kirche betreiben“, erklärt GKR-Mitglied Peter Behrendt. Denn neben der Erneuerung von Heizung, Elektrik und Lichttechnik – pro Jahr sollen so 66,4 Tonnen CO2 eingespart werden – werden Feuchteschäden im Sockel entfernt, die Kirchenfenster gereinigt und ein barrierefreier Zugang in die Kirche geschaffen.

Insgesamt müssen 1,2 Millionen Euro zusammenkommen, um alle Maßnahmen finanzieren zu können. Die Gemeinde hat die BENE-Mittel in der Tasche, Förderanträge an die Lotto-Stiftung, das Landesdenkmalamt, den Kirchenkreis Steglitz und an die Landeskirche seien verschickt. Seit Ostern wirbt die Gemeinde auch wieder um die Hilfe privater Spender; ab Juni soll gebaut werden.

Die Matthäuskirche in Steglitz: Erst drohte der Turm einzustürzen, jetzt ist die Kirche gesperrt.
Die Matthäuskirche in Steglitz: Erst drohte der Turm einzustürzen, jetzt ist die Kirche gesperrt.

© Boris Buchholz

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