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Anna Schmidt (Öffentlichkeitsarbeit) und Thomas Mampel (Geschäftsführer) vom Stadtteilzentrum Steglitz

© Anett Kirchner

Stadtteilzeitung Steglitz-Zehlendorf feiert 20. Geburtstag: „Einen Werbeflyer fanden wir langweilig“

Das Stadtteilzentrum Steglitz-Zehlendorf macht sich für die Entwicklung der sozialen Infrastruktur im Bezirk stark. Vor 20 Jahren ging die erste Stadtteilzeitung in Druck - noch mit dem Kopierer vervielfältigt und per Hand gebunden.

Heißt „normal sein“, so gewachsen zu sein, wie sich die meisten einen Menschen vorstellen, seine fünf Sinnesorgane gebrauchen zu können, wie es erwartet wird? Ja, genau so wird das Wort „normal“ normalerweise definiert. Mit diesen Sätzen beginnt Anna Schmidt vom Stadtteilzentrum Steglitz ihren Artikel über Ragna Ronacher. Diese junge Frau hat das Down-Syndrom, führt jedoch ein selbstständiges Leben mit eigener Wohnung und arbeitet in einer Kita des Stadtteilzentrums. „Ragna hat mich beeindruckt“, verrät Anna Schmidt. Das Interview mit ihr gehöre zu jenen Momenten, bei denen sie spüre, dass sie den richtigen Job mache. Sie lächelt zufrieden. Schmidt ist für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig und betreut zudem redaktionell die Stadtteilzeitung Steglitz-Zehlendorf. Im Moment verbringt sie viel Zeit in ihrem Büro, gestaltet die Seiten, optimiert die Grafiken, positioniert die Anzeigen. Sie arbeitet mit Hochdruck an der kommenden Ausgabe der Stadtteilzeitung, die etwas ganz besonderes werden soll. Denn vor 20 Jahren – im März 1996 – ging die erste Zeitung hier in Druck. Damals hieß sie noch Nachbarschaftsbote, die Texte wurden mit einer Schreibmaschine geschrieben, mit dem Kopierer vervielfältigt und per Hand gebunden. Das erste Cover war selbst gemalt; in schwarz-weiß.

Inzwischen hat der Computer die Schreibmaschine ersetzt, Zeichnungen werden mit einem Grafikprogramm gemacht und die Zeitung selbst entsteht in einer modernen Berliner Druckerei - monatlich sind es 10.000 Exemplare. Sie liegen unter anderem in den Rathäusern des Bezirks, in der Volkshochschule, der Stadtbibliothek, in Apotheken, beim Bäcker und in den Einrichtungen des Stadtteilzentrums aus.

20 Jahre Stadtteilzeitung Steglitz-Zehlendorf: Im März erscheint die Jubiläums-Ausgabe
20 Jahre Stadtteilzeitung Steglitz-Zehlendorf: Im März erscheint die Jubiläums-Ausgabe

© Anett Kirchner

Wer mag, kann die kostenlose Monatszeitung auch online lesen. Der lokale Fokus in den Texten liegt in Steglitz, Lankwitz und Lichterfelde, es gibt aber auch Geschichten aus den anderen Teilen des Bezirkes. Jeweils auf zwölf Seiten berichten ehrenamtliche Redakteure über Menschen, Vereine, Politiker oder Institutionen. Das Redaktionsteam besteht aus etwa acht Leuten, die regelmäßig schreiben. Es sind Pädagogen, Künstler, Architekten oder Sozialarbeiter; jeweils Menschen mit individuellen Lebensgeschichten und Begabungen. Und genau so vielfältig sind auch die Inhalte. Wichtig ist: alle Artikel haben einen sozialen Bezug.

Denn das Stadtteilzentrum Steglitz ist ein gemeinnütziger Verein für soziale Arbeit, der sich seit mehr als 20 Jahren für die Entwicklung der sozialen Infrastruktur in Steglitz-Zehlendorf stark macht. Ziel ist es, für und gemeinsam mit den Menschen gute Lebensbedingungen in den Stadtteilen zu gestalten und sie bei der Umsetzung ihrer Ideen zu unterstützen. Die zahlreichen Projekte des Stadtteilzentrums richten sich vor allem an Kinder- und Jugendliche, Nachbarn und älteren Menschen. Der Leitgedanke ist: Wir gehen davon aus, dass wir die Welt verändern können.

Anna Schmidt betreut seit 2003 die Stadtteilzeitung redaktionell
Anna Schmidt betreut seit 2003 die Stadtteilzeitung redaktionell

© Anett Kirchner

Doch warum eine eigene Stadtteilzeitung? Zunächst aus pragmatischen Gründen: „Wir brauchten ein Medium, in dem wir unsere Angebote vorstellen und einen Werbeflyer fanden wir langweilig“, erinnert sich der Geschäftsführer und Mitbegründer des Stadtteilzentrums, Thomas Mampel. Außerdem sei es dem Verein wichtig, über seine Arbeit zu erzählen, soziale Themen aufzugreifen, die es nicht in die „normale“ Presse schafften. Beispielsweise auch darüber zu informieren, dass Arbeitslosigkeit, Einsamkeit, Geldnot, Altersschwierigkeiten, Erziehungsprobleme oder andere Unwegsamkeiten des Lebens viele Menschen betreffen und durchaus in der Gesellschaft besprochen werden sollten.

Anna Schmidt, gelernte Grafikerin, kam 2003 zum Stadtteilzentrum. „Ich war Kita-Mutter im Gutshaus Lichterfelde und habe dort zum ersten Mal von dem Verein gehört“, erzählt sie. Im Zuge einer Weiterbildung habe sie an einem Projekt hier teilgenommen und sei gleich einmal geblieben.

Die Kombination aus Kommunikation und sozialer Arbeit ist genau Schmidts Ding

Ein großes Glück, findet sie heute und das glaubt man ihr sofort. Denn ihr ganzes Gesicht strahlt, wenn sie von ihrer Arbeit und besonders von „ihrer“ Stadtteilzeitung erzählt. Hier könne sie das einbringen, wovon sie sowieso überzeugt sei: Vielfalt, also jeden so akzeptieren, wie er ist. Und das will sie auch öffentlich vertreten. „Denn ich habe Bedenken, dass die Menschen eines Tages ihren Mund halten“, sagt Schmidt. Dialog sei notwendig. Und solche Prozesse könne sie mit dem Schreiben anstoßen. Die Kombination aus Kommunikation und sozialer Arbeit sei genau ihr Ding.

So hat sie für die Jubiläums-Ausgabe der Stadtteilzeitung eine Geschichte aufgeschrieben, die ihr nicht mehr aus dem Kopf geht. Sie erzählt von einer Palästinenserin, die als Kind 1987 mit ihrer Familie nach Deutschland flüchtete. Die Frau arbeitet heute als Erzieherin in der ergänzenden Förderung und Betreuung an der Giesensdorfer Grundschule in Lichterfelde und ist äußerlich voll integriert. Doch nach dem Gespräch mit ihr ist Anna Schmidt bewusst geworden, welchen emotionalen Kampf zwischen den Kulturen geflüchtete Menschen mit sich tragen. So schreibt sie in ihrem Artikel unter anderem: „Integration ist die eine Seite. Gelingt sie, ist der Zwiespalt zwischen der Ursprungskultur und des Integrationslandes noch lange nicht bewältigt.“

Wer die eingangs erwähnte Geschichte mit Ragna Ronacher gern nachlesen möchte, kann das online hier tun.

Die Autorin ist freie Journalistin, wohnt in Steglitz-Zehlendorf, und schreibt als lokale Reporterin regelmäßig für den Tagesspiegel-Zehlendorf. Folgen Sie Anett Kirchner auf Twitter und auch der Redaktion Zehlendorf .

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