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Sag mir, wo die Hecken sind, wo sind sie geblieben... Frei nach einem sehr bekannten Friedenslied.

© Mike Wolff

Zehlendorfer Bürger erkämpfen Rodungsstopp: Ab durch die Hecke

Warum eine Grünen-Stadträtin in Steglitz-Zehlendorf wegen eines sehr grünen Themas Probleme bekam. Eine Geschichte über die angeblich "bürgernahe Verwaltung" und über Hecken, die aus Kostengründen nicht mehr sein dürfen, was sie sind.

Vielleicht muss man die Vorgeschichte erzählen, um zu erklären, warum in Steglitz-Zehlendorf ausgerechnet eine Grünen-Umweltstadträtin wegen eines ziemlich grünen Themas in Bedrängnis ist. 30 Jahre lang haben sich Anwohner am Nieritzweg in Zehlendorf, der den Teltower Damm und die Sachtlebenstraße verbindet, für Grünflächen eingesetzt, für Straßenpoller, Verkehrsberuhigung und – Hecken! Mehrfach schon hatte das Grünflächenamt vergeblich versucht, diese Hecken, kaum 50 Zentimeter hoch, zu roden. Aus Kostengründen.

Dieses Mal hat das Amt ernst gemacht, die Bagger sind gekommen, vor sechs Wochen, und nun ist dort, wo viele Jahre Hecken standen, braune Erde zu sehen. Die Stadträtin aber, Christa Markl-Vieto, die die Vorgeschichte nicht im Detail kannte, steht seitdem empörten Anwohnern gegenüber und war, wie sie offen zugibt, „über die Vehemenz der Proteste sehr überrascht“. Nun ist es oft so, dass die „bürgernahe Verwaltung“, die die Behörden anstreben, im Alltag nur eine sehr theoretische Erscheinung ist. Es wird nicht angehört, zugehört, vorher informiert. Es wird einfach mal gemacht, und dann wundert man sich. Da hatten schon SPD und Piraten ihre Pressemitteilungen mit der unausgeschriebenen Schlagzeile „Skandal“ verschickt, und der Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) meldete sich zu Wort und forderte „einen sofortigen Rodungs-Stop und ein Ende dieser sinnlosen Zerstörung“.

Insgesamt in elf Straßen wollte das Grünflächenamt im Bezirk Hecken roden, um eine sechsstellige Summe einzusparen.
Insgesamt in elf Straßen wollte das Grünflächenamt im Bezirk Hecken roden, um eine sechsstellige Summe einzusparen.

© Mike Wolff

Markl-Vieto begann schließlich aufzuklären und zu erläutern, warum die Finanzlage sie zwinge, solche Maßnahmen zu ergreifen. Der Nieritzweg sollte nicht die einzige Straße sein, weitere sollen folgen, insgesamt, wie der BUND ausrechnete, 2,4 Kilometer Hecken. Im Amt dagegen rechnen sie so: Die Bezirke erhalten vom Senat pro Quadratmeter begrüntes Straßenland 72 Cent pro Jahr als Finanzierung. Die Pflege einer Hecke aber, die zweimal jährlich geschnitten werden müsse, koste sechs Euro pro Quadratmeter. Jeder kann sich, dachte sich wohl auch Markl-Vieto, ausrechnen, was das bedeute, und sie hoffte auf Verständnis und schrieb: „Die Entfernung der Hecken in insgesamt 11 Straßen führt damit zu Einsparungen in 6-stelliger Höhe.“

Auf halbem Weg gestoppt. Die Grünen-Stadträtin Markl-Vieto hat die Rodungsaktion vorerst beenden lassen. Jetzt soll ein Bürger-Dialog Kompromisse bringen.
Auf halbem Weg gestoppt. Die Grünen-Stadträtin Markl-Vieto hat die Rodungsaktion vorerst beenden lassen. Jetzt soll ein Bürger-Dialog Kompromisse bringen.

© Mike Wolff

Im Amt weisen sie zudem darauf hin, dass man im Bezirk viele Grünflächen habe, die als Straßenbegrünung durchgehen, die aber genau genommen kleine Parkanlagen seien, wie etwa der Mexikoplatz. Auch für den bekommt der Bezirk nur 72 Cent pro Quadratmeter. Die Rechnung des Amtes lautete: Wollt ihr Bürger, dass wir solche ökologisch wirklich wertvollen Flächen wegen eurer Hecken nicht mehr pflegen können? Natürlich ging diese Rechnung nicht auf. Menschen wollen nicht mit Sachargumenten abgespeist werden, sie wollen mitgenommen werden, sich einbringen können, Lösungen vorgeschlagen bekommen oder daran mitwirken. Und so ist es nun auch gekommen. In dieser Woche traf sich die Stadträtin mit den Anwohnern, und siehe da, „es war gar nicht so schlimm, die Bürger waren sehr sachorientiert und hatten Verständnis“, wie Markl-Vieto bemerkte.

Dem Erdboden gleichgemacht. Es war einmal eine Hecke im Nieritzweg.
Dem Erdboden gleichgemacht. Es war einmal eine Hecke im Nieritzweg.

© Mike Wolff

Nun hat sie das Rodungsprojekt vorerst gestoppt, und im Januar hat sie zum „Bürger-Dialog“ geladen. Das Amt wird Kompromisse machen und sich einsichtig zeigen, aber auch die Bürger sollen wissen, dass gespart werden müsse. Und was haben sie nun gelernt in Steglitz-Zehlendorf? Dass bürgernahe Verwaltung nicht heißt, sich erst zu kümmern, wenn der Bürger Sturm läuft.

Der Autor ist Redakteur für besondere Aufgaben im Tagesspiegel und hat den Zehlendorf Blog konzipiert. Der Text erscheint auf dem Zehlendorf Blog, dem Online-Magazin aus dem Südwesten.

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