zum Hauptinhalt
Die ukrainischen Künstlerinnen und Kuratorinnen Anna Scherbyna (links) und Uliana Bychenkova (rechts).

© Kaya Behkalam

Ukrainische Künstlerinnen in Berlin: Die Unmöglichkeit der Übersetzung

Noch bis zum 13. August zeigen Anna Scherbyna und Uliana Bychenkova aus Kyiv die Ausstellung „How do we turn salt into sugar?“ in der Galerie Etage des Museums Reinickendorf.

„How do we turn Salt into Sugar?“, also „wie verwandeln wir Salz in Zucker?“ – das fragen sich Anna Scherbyna (auf dem Foto links) und Uliana Bychenkova (rechts). Sie stehen hinter der gleichnamigen Ausstellung, die noch bis zum Sonntag, 13. August, in der Galerie Etage des Museums Reinickendorf (Alt-Hermsdorf 35), zu sehen ist.

Die beiden ukrainischen Künstlerinnen und Kuratorinnen sind die Preisträgerinnen des Dieter-Ruckhaberle-Förderpreises 2022/2023. Diesen schreibt der Künstlerhof Frohnau gemeinsam mit dem Kunstamt Reinickendorf seit 2019 aus. In Deutschland leben Scherbyna und Bychenkova seit März 2022. Wegen des russischen Überfalls auf die Ukraine, der am 24. Februar vergangenen Jahres begann, sahen sich die Frauen gezwungen, aus ihrer Heimat zu fliehen.

Vorher lebten sie in Kyiv, wo sie sich auch kennenlernten. Dort waren sie bereits als Kuratorinnen und Künstlerinnen tätig. Nun bezeichnen sie sich als „privilegierte Flüchtlinge“. Was genau meinen sie damit? „Das hat verschiedene Aspekte“, erklärt Bychenkova, die sich per Videokonferenz aus Weimar zuschaltet, wo sie gerade an der Bauhaus-Universität studiert.

„In der Ukraine herrscht eine ziemlich patriarchale Kunstszene, da haben es Künstlerinnen nicht leicht.“ Doch aufgrund der aktuellen Kriegssituation dürfen Männer im wehrfähigen Alter das Land nicht einfach so verlassen. Hier in Deutschland haben Künstlerinnen mehr Möglichkeiten. „Es ist traurig und unfair, aber es ist eben wie’s ist“, sagt Scherbyna.

„Privilegierte Flüchtlinge“

Hinzu kämen weitere Privilegien wie ihre weiße Hautfarbe oder der Fakt, dass sie dank der für ukrainische Schutzsuchende angewendeten EU-Massenzustrom-Richtlinie Zugang zu Arbeit, Bildung, Sozialleistungen und medizinischer Versorgung hätten. „Syrische Geflüchtete mussten damals beispielsweise einen viel schwierigeren Prozess durchlaufen. Das muss hart gewesen sein, gerade bei diesem bürokratischen System“, sagt Scherbyna.

In Deutschland fühlen sich die beiden wohl, wobei es Scherbyna Berlin angetan hat und Bychenkova ihre Zeit im sehr viel kleineren Weimar genießt. Auch in Reinickendorf haben die Künstlerinnen und Kuratorinnen Zeit verbracht: in Frohnau. Dort, auf dem Künstlerhof, waren sie vor einem Jahr zwei Monate lang im Rahmen einer Künstlerresidenz zu Gast, die Teil des Dieter-Ruckhaberle-Förderpreises war. „Ein bisschen war es dort wie in einer Datscha. Es war schön ruhig“, erinnert sich Bychenkova.

Auch die Ausstellung „How do we turn Salt into Sugar?“ haben sie anlässlich des Förderpreises im Künstlerhof vorbereitet. „Unser Ziel war es, mit dem ortsspezifischen Kontext zu arbeiten“, beschreibt Scherbyna den Prozess. „Das hat unsere künstlerische Vision und das Ausstellungsdesign auf jeden Fall beeinflusst, denn wir haben versucht, unsere Erfahrungen in einen anderen Raum zu transponieren.“

Doch auch die Geschichte im Bezirk und der Stadt haben Scherbyna und Bychenkova erkundet und sich davon inspirieren lassen. „Es ist interessant, beim Spazierengehen Erinnerungen an die jüngste Vergangenheit zu finden, wie den Mauerweg“, sagt Scherbyna. „Diese historischen Überbleibsel spielen ja bis heute eine Rolle, auch für uns.“

Scherbyna und Bychenkova haben für die Ausstellung weitere Künstler:innen eingeladen, Arbeiten für die Galerie Etage zu entwickeln. Kateryna Aliinyk, Kateryna Berlova, Nastia Hrychkovska, Olexandr Ieltsyn, Valentina Petrova, Maya Schweizer kennen sie teilweise schon aus Kyiv. „Unsere kuratorische Praxis war es schon immer, Menschen zusammenzubringen, eine Gemeinschaft zu schaffen“, erläutert Scherbyna. Inhaltlich geht es in der Ausstellung um Erfahrungen mit Trauma, um die Unmöglichkeit von Übersetzung, um Empathie, Wiederholung, Prozesshaftigkeit. Und Verwandlungen, wie eben der von Salz in Zucker.

Die Ausstellung „How do we turn salt into sugar?“ im Museum Reinickendorf ist Sonntag bis Freitag 9 bis 17 Uhr geöffnet, samstags ist geschlossen. Der Eintritt ist frei.

Dies ist ein Text aus dem Tagesspiegel-Newsletter für Reinickendorf, der Sie jeden Mittwoch mit den wichtigsten Nachrichten aus dem Bezirk versorgt. Weitere Themen in dieser Woche sind unter anderem:

  • Steg, Vogelschutz, Betreiber: Wie geht es weiter am Flughafensee?
  • Neue Sessel und Arbeitstische laden zum Lesen, Arbeiten und Prokrastinieren in der Humboldt-Bibliothek ein
  • Infrastrukturprojekt „i2030“: Berlin und Brandenburg unterzeichnen Teilmaßnahmen
  • AG Stolpersteine Reinickendorf verlegt aktualisierten Stolperstein für Harry Gabriel
  • Polizeimeldungen: Residenzstraßen-Raser erhält Geldstrafe; Mutter mit Baby konnte gefunden werden
  • „Surviving Romeo“: Sommertheater für Kinder ab 10 Jahren im Labsaal

Den Newsletter können Sie hier kostenlos abonnieren.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false