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Calle Overweg fährt am 27.08.2015 Adelheid Scheller (l) und Christa George (beide 71 Jahre alt) auf seiner Rikscha durch Berlin. Overweg chauffiert seit einigen Monaten als ehrenamtlicher Rikscha-Fahrer Senioren durch Berlin Foto: Kay Nietfeld/dpa (zu dpa ««Eine ganz neue Perspektive» - Senioren in der Rikscha» vom 09.09.2015) +++(c) dpa - Bildfunk+++ | Verwendung weltweit

© dpa/Kay Nietfeld

Verein „Radeln ohne Alter“: Engagierte bieten Rikscha-Fahrten für ältere Menschen an

Für die Senior:innen bedeutet das einen enormen Zugewinn an Mobilität. Sie können so neue Orte entdecken oder an altbekannte zurückkehren. Die Idee stammt ursprünglich aus Dänemark.

Was für ein schönes Gefühl, mit dem Treten in die Pedale auch noch Gutes zu erreichen. Dieser Zustand lässt sich erreichen, wenn Rikscha-Fahrer:innen ihre "Passagiere" zu einem Ausflug an bekannte oder unbekannte Orte bringen. Da können die Freiwilligen wirklich stolz sein, und für die Senior*innen ist es ein „unglaublicher Zugewinn an Mobilität“.

Das ist jedenfalls das Ergebnis einer wissenschaftlichen Studie. „Der Radius solcher Menschen, die sich meist nur noch mit einem Rollator fortbewegen können, ist sehr reduziert“, heißt es darin: Nun aber „wird ihr Bewegungsradius plötzlich wieder erheblich größer. Sie kommen an alte, bekannte Orte, an denen Erinnerungen wach werden. Die meisten ‚Passagiere‘ sprechen noch Wochen von ihren Erlebnissen.“ Das hat das Institut für Bildung, Entwicklung und Beratung anhand der Touren ermittelt, die der ehrenamtliche Verein „Radeln ohne Alter e.V.“ organisiert.

Wir möchten mit Menschen die Freude eines Fahrradausflugs teilen

Wilfried Römer, Vereinsvorstand „Radeln ohne Alter“

In blühender Natur und wärmender Sonne ist Hochsaison für die Rikscha-Piloten. „Wir möchten mit Menschen, die nicht mehr aus eigener Kraft in die Pedale treten können, die Freude eines Fahrradausflugs teilen“, sagt Vereinsvorstand Wilfried Römer. Der 69-jährige Rentner aus Steglitz ist seit gut vier Jahren engagiert. An sieben Standorten ist der Verein mit insgesamt 11 elektrischen Rikschas präsent: Neben Mitte und Wedding sind es noch Charlottenburg, Kreuzberg, Schöneberg, Wannsee und Zehlendorf.

Zeit schenken und dabei etwas für die Fitness tun

Die Aktiven seien hauptsächlich ältere Menschen, Männer, aber auch Frauen, die ihr Arbeitsleben beendet haben, sich aber engagieren möchten und noch fit genug fühlen, um in die Pedale zu treten, erzählt Wilfried Römer. Sie machen ihre Zeit zum Geschenk und tun dabei sogar noch etwas für ihre Fitness. Natürlich gibt es auch einige jüngere Rikscha-Fahrer – aber für die meisten Interessierten mit einer Berufstätigkeit sei es schwer, an den von Senior*innen hauptsächlich nachgefragten Wochentagen verlässlich Zeit zu haben. „Überlege dir vorher gut, wie viele Fahrten im Monat oder Jahr dein Zeitmanagement wirklich zulässt“, gibt Projektmanagerin Gabriele Meyer deshalb Novizen zu bedenken.

5500
Kilometer haben die Rikscha-Fahrer im Jahr 2022 zurückgelegt

Die Bilanz der 50 Freiwilligen für 2022 kann sich sehen lassen: Insgesamt gab es 500 Ausflüge mit zurückgelegten 5500 Kilometern. Die meisten Rikschas haben feste Standorte an Senioreneinrichtungen oder Heimen, deren Beschäftigte die Ausflugswünsche der Bewohner*innen an den Rikscha-Verein übermitteln. Dann geht es los, ob ins Grüne an den Wannsee und zur Villa Liebermann oder aufs Tempelhofer Feld. Andere Rikscha-Gäste möchten dagegen auf den Schöneberger Winterfeldtplatz ins Lieblingscafé oder an andere geliebte Orte.

Die Fahrten dauern meistens zwischen 45 Minuten bis etwa eineinhalb Stunden. Nicht nur die Passagiere, sondern auch die Rikscha-Piloten haben etwas davon, weil sie spüren, wie begeistert die Passagiere davon sind, endlich wieder einmal unterwegs sein zu können, erzählt Wilfried Römer. „Unser Ziel ist es, Mobilität zu schaffen und Lebensqualität zu schenken.“

Idee hat ihren Ursprung in Dänemark

Die elektrischen Rikschas, bei denen die Passagiere vorne sitzen und einen freien Blick voraus haben, stammen aus Dänemark. Von dort kam ursprünglich auch die Idee. Der Dokumentarfilmer und überzeugte Radfahrer Calle Overweg erfährt 2015 vom Projekt des Dänen Ole Kossow „Cycling without Age“ und beschließt spontan, auch in Berlin Touren für Senioren anzubieten. Noch im selben Jahr wird die erste Rikscha angeschafft und auch der Verein „Radeln ohne Alter e.V.“ gegründet. Und wenn eine Idee erst einmal ins Rollen kommt, ist sie nicht mehr aufzuhalten. Bald gibt es Gruppen in Essen, Bonn und Köln. 2019 wird schließlich der Dachverband „Radeln ohne Alter Deutschland e.V.“ gegründet, der als zentrale Kompetenzstelle agiert, und zwei hauptamtliche Geschäftsführerinnen sowie einen ehrenamtlichen Vorstand hat.

Im Sommer 2022 gab es bereits über 100 Standorte in Deutschland

Im Sommer 2022 gab es bereits über 100 Standorte in ganz Deutschland. Wie heißt es doch im Ergebnis der Studie: „Diejenigen, die regelmäßiger mitfahren, scheinen dadurch auch wieder mobiler zu werden, trauen sich selbst wieder mehr zu. (…) Die soziale Isolierung, die für viele Senioren eine große Hürde des Alltags darstellt, wird durch Radeln ohne Alter … verkleinert oder sogar aufgelöst.“ Besser geht es nicht.

Natürlich braucht es engagierte Rikscha-Fahrer*innen. Von den „Kapitänen“ erfahren Neulinge, wie alles funktioniert. Und ein Training ist natürlich auch nötig. Denn mit zwei Personen auf der Sitzbank kommen schnell 150 Kilo zusammen, die vom dahinter sitzenden Fahrer erst einmal bewegt werden möchten. Dazu braucht es Kraft – erstaunlicherweise nicht so sehr in den Beinen, sondern in den Armen, erklärt Wilfried Römer. Denn vor allem das Lenken ist anstrengend; für ein komfortables Vorankommen sorgt dagegen ganz wesentlich die Batterie. Das Wenden auf schmalen Wegen wird bei der Vorbereitung geübt, auch die Wirkung der hydraulischen Scheibenbremsen getestet. Erst danach werden die neuen Rikscha-Piloten auf die Berliner Straßen gelassen. Neue Pilot*innen werden immer herzlich begrüßt. Wenn Sie Interesse haben, finden Sie hier alle Infos. 

Dieser Text stammt aus dem aktuellen Bezirksnewsletter für Mitte. Sie wollen mehr aus dem Bezirk lesen? Patricia Wolf schreibt in dieser Woche auch über diese Themen:

  • Stadträtin fordert Verkehrssenatorin auf, ihre Blockadehaltung zu beenden
  • Nach dem Radwege-Stopp: Was wird aus dem Kiezblock Brüsseler Straße?
  • Moabit: Bebauungsplanverfahren für Parkanlage und Kulturzentrum gestartet
  • Neue Blitzer in Mitte sollen Raser und Rotsünder erfassen
  • Umwelt- und Klimapreis verliehen
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  • Tipp: Weltwirtschaft am HKW
  • Immer freitags: Mitmach-Tag auf dem ElisaBeet 
  • Bernd Schimmler liest aus seinem Buch „Der Wedding“
  • Ausstellung zum DDR-Volksaufstand von 1953 im Roten Rathaus
  • Jugendbildungsmesse
  • Kostenlose Energieberatung
  • Kostenlos Müll entsorgen beim BSR-Kieztag
  • Tour zum künftigen Kiezblock im Sprengelkiez mit Austausch

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