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Für den Künstler Hans-Peter Klie sind Kunst und Philosophie "verwandte Disziplinen". Dies versucht er in seinen Werken zum Ausdruck zu bringen.

© Corinne Ulrich

Wer sind wir? Eine Ausstellung in Steglitz-Zehlendorf: Der Künstler-Philosoph

Faltkartons, Holzfiguren und die Frage nach menschlichen Befindlichkeiten. Schon ist die Ausstellung "Ontologie - 15 Grad" fast fertig. Wir haben den Künstler Hans-Peter Klie getroffen. Bis Sonntag ist die Ausstellung in der Schwartzschen Villa noch zu sehen. Also Beeilung!

Hans-Peter Klie guckt Martin von Ostrowski lange an. „ Sieht er nicht aus wie ein römischer Kaiser aus Marmor?“, entfährt es Klie voller Hingebung. Niemand antwortet, von Ostrowski hält weiter die Augen geschlossen, fast sieht es aus, als schliefe er. Doch dann reißt von Ostrowski die Augen auf, hält sich erschrocken die Hand vor den Mund, als hätte er gerade etwas schreckliches erblickt. „Im Angesicht des Todes“, flüstert Hans-Peter Klie; es klingt erneut ergeben, begeistert, fasziniert – wie ein Künstler, der sein eigenes Werk betrachtet.

Ein Künstler, das ist Hans-Peter Klie, 57 Jahre alt, die lockigen Haare ergraut, doch die Augen funkeln, wenn er von der Kunst, insbesondere von seiner eigenen, spricht.

Die Faltkarton-Installation basiert auf den Inhalten eines ägyptischen Totenbuchs.

© Nora Tschepe-Wiesinger

Er steht vor dem momentanen Werk der beiden: vor 96 übereinander gestapelten Faltkartons, die bestückt sind mit Porträtfotografien in Schwarz-Weiß, Figurensilhouetten aus Holz, dazwischen Spiegelfolie. Auf den Fotos ist Martin von Ostrowski, Künstlerfreund von Klie und Mit-Initiator der Faltkarton-Ausstellung, zu sehen, mal schlafend, mal wachend, das Gesicht mal ruhig, mal voller Schrecken verzerrt. Nur lachen tut von Ostrowski auf keinem der insgesamt 20 Fotos.

„ONTOLOGIE – 15 Grad“ heißt die Faltkarton-Installation, die Teil einer Ausstellung ist, die noch bis zum Sonntag in zwei Räumen der Schwartzschen Villa in Steglitz-Zehlendorf gezeigt wird. Ontologie ist die Lehre vom Sein und genau darum geht es in der Ausstellung von Klie und Ostrowski. „Die Installation spiegelt die verschiedenen Befindlichkeiten des menschlichen Seins wider“, erklärt Klie das Werk. „Es geht darum, wie wir das Sein erfahren und was für uns das Sein ist“.

Den Schwarz-Weiß-Fotografien könnte man demnach entnehmen, dass das menschliche Sein entweder ruhig oder voller Schrecken ist, doch die Holzmodelle in den anderen Kartons stellen einen lebendigen Kontrast zu den ernsten Porträts dar. Springend, fallend, tanzend oder rennend füllen die menschlichen Silhouetten 20 weitere Kartons aus.

Wie so oft bei Hans-Peter Klies Werken gab ein Buch den Anstoß zur Entstehung der Ausstellung. Kunst und Philosophie sind für Klie „verwandte Disziplinen“. Er lässt oft sprachliche Elemente und philosophische Gedankengänge in seine Werke einfließen. Für die Ausstellung in der Schwartzschen Villa war ein Ägyptisches Totenbuch, die Handlungsanweisung für einen Menschen, der aus dem Reich des Lebens in das Reich des Todes hinabsteigt, der Auslöser. „Ein Mensch, der sein Ende kennt, spürt das Leid von morgen, aber die Freude von heute“, heißt es darin. Diese Emotionen, Leid und Freude, Euphorie und Melancholie, versuchen Klie und von Ostrowski in den Fotografien und Holzmodellen zum Ausdruck zu bringen.

Ob Hirschschädel, Weinflasche, Heiligenkerze oder Fernbedienung - alle 96 ONTO-Objekte in Klies Ausstellung wurden von Menschenhand gefertigt oder werden von Menschen genutzt.

© Nora Tschepe-Wiesinger

„Je länger man sich mit der „Seinswissenschaft“ beschäftigt, desto stärker merkt man, dass der Mensch sich im Leben über materielle Dinge definiert“, erläutert Klie. Den materiellen Dingen haben er und Ostrowski einen weiteren Raum ihrer Ausstellung gewidmet. In vier Glasvitrinen sind 96 sogenannte „ONTO-Objekte“ ausgestellt. Es sind Gebrauchs- und Kultgegenstände, Wert- und Kitschobjekte, Erinnerungsstücke und Konsumartikel, die für das Leben einzelner Menschen wichtig sind oder waren wie die polnische Bierdose „Harnas“ oder die nordafrikanische Öllampe aus dem 2. Jahrhundert nach Christus. Viele der ONTO-Objekte sind Leihgaben aus dem Fundus eines Sammlers.

„Es sind alles Dinge, die etwas über den Menschen aussagen“, beschreibt Klie die Sammlung der ONTO-Objekte. „Das Ganze ist schon etwas absurd, aber so ist das Leben ja auch“, sagt er und muss schmunzeln.

 Seit er 16 ist, wollte Klie Künstler werden

Sein eigenes Leben verlief bisher weniger absurd. Schon mit 16 Jahren stand für Klie, der in Göttingen geboren wurde und aufwuchs, fest, dass er Künstler werden wollte. Sein damaliger Kunstlehrer erkannte sein Talent und nahm ihn mit zu Treffen verschiedener Künstlerkreise. „Da war ich immer der Jüngste“, erinnert sich Klie und sagt, dass die Begegnung mit seinem Kunstlehrer für ihn ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg hin zum Künstler-Dasein war. Bis heute steht er mit seinem Kunstlehrer von früher in Kontakt.

Zusammen mit seinem langjährigen Künstlerfreund Martin von Ostrowski entstand die Ausstellung in der Schwartzschen Villa.

© Corinne Ullrich

Nach dem Abitur 1976 zog Klie mit 18 Jahren zum Malerei-Studium nach Berlin. Nach Abschluss des Studiums malte er jedoch nicht nur, sondern fotografierte auch, schrieb und machte Filme. Wikipedia betitelt Klie als „Maler, Fotograf, Konzept-, Medien - und Installationskünstler“; Klie selbst führt die Vielschichtigkeit seiner Werke auf unterschiedliche Phasen in seinem Leben zurück. „Im Laufe der Jahre hat sich meine Kunst verändert und weiter fortgesetzt. Wenn sich meine Kunst einem einzigen bestimmten Genre zuordnen ließe, wäre das doch langweilig“, sagt Klie.

Und so entstanden seit 1975 Papiercollagen, Radierungen, Ölmalereien, Fotografien und viele weitere Werke – immer mit einem philosophischen Hintergrund, wie etwa das 2001 entstandene Fotobuch „Petites Perceptions“, das auf der Grundlage philosophischer Gedankengänge von Gottfried Wilhelm Leibniz und Friedrich Nietzsche basiert.

Wenn Klie von seinen Werken spricht, klingt er selbst ein bisschen wie ein Philosoph. Er spricht von Selbstfindung, Gefühlen,  Scheinwirklichkeiten, die der Betrachter in seinen Werken sieht oder sehen kann.

Ob man sich beim Betrachten der 96 ONTO-Objekte der derzeitigen Ausstellung „ONTOLOGIE 15 Grad“ nun selbst findet oder der ausgestellte Hirschschädel, die Weinflasche, die Lanzenspitze und der Zollstock für den einzelnen nicht mehr als die künstlerische Freiheit von Klie und von Ostrowski sind – etwas besonderes ist die Ausstellung, die nur noch bis Sonntag in der Schwartzschen Villa in Berlin-Steglitz zu sehen ist, auf jeden Fall.

Die Ausstellung "ONTOLOGIE - 15 Grad" kann man sich noch bis Sonntag, 22. Juni, täglich von 10 bis 18 Uhr in der Galerie der Schwartzschen Villa in der Grunewaldstraße 55 in Berlin-Steglitz ansehen. Der Eintritt ist frei.

Die Autorin Nora Tschepe-Wiesinger ist freie Mitarbeiterin des Tagesspiegel und des Zehlendorf Blog, dem Online-Magazin aus dem Südwesten. Sie studiert zurzeit in Hannover.
Die Autorin Nora Tschepe-Wiesinger ist freie Mitarbeiterin des Tagesspiegel und des Zehlendorf Blog, dem Online-Magazin aus dem Südwesten. Sie studiert zurzeit in Hannover.

© privat

Die Autorin schreibt als freie Mitarbeiterin für den Tagesspiegel, sie ist in Zehlendorf aufgewachsen. Der Text erscheint auf dem Zehlendorf Blog, dem Online-Magazin aus dem Südwesten.

Nora Tschepe-Wiesinger

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