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Das Rathaus und die Kirchstraße. Nur wenn die Straße gesperrt werden könnte, wäre auch eine Verbindung zum alten Dorfanger (rechts) möglich.

© Thilo Rückeis

Gutachten: Keine Chance für Stadtplatz und Wochenmarkt: Zehlendorfs Mitte bleibt zerrissen

Aus der Traum: Zehlendorfs historische Mitte wird keinen neuen Stadtplatz und auch keinen attraktiven Markt bekommen, denn dafür müsste die Kirchstraße am Rathaus gesperrt werden. Ein Gutachten hat nun ergeben: Das hohe Verkehrsaufkommen macht eine Sperrung unmöglich.

Zehlendorfs Mitte wird auch in Zukunft zerrissen bleiben. Die schöne Vision des Bezirksamts und vieler Bürger, den Platz vor dem Rathaus samt der alten Dorfaue wieder zu einem zentralen Stadtplatz zu machen und einen neuen Wochenmarkt zu etablieren, wird wohl nicht wahr werden können. Die wichtigste Voraussetzung für dieses Vorhaben, das auch die Unternehmergemeinschaft des Vereins "Zehlendorf-Mitte-Marketing" unterstützt, wäre die Sperrung der Kirchstraße neben dem Rathaus für den Verkehr gewesen. Wie der Tagesspiegel aus gut informierten Kreisen erfuhr, fällt das dafür in Auftrag gegebene Gutachten an diesem Punkt aber deutlich negativ aus.

Zwar ist das Gutachten noch nicht vollständig abgeschlossen, aber Bezirksbürgermeister Norbert Kopp (CDU) sagte dem Tagesspiegel: "Eine dauerhafte Sperrung der Kirchstraße wird sich nach derzeitigem Kenntnisstand als schwierig erweisen. Die Sperrung hätte erhebliche verkehrliche Auswirkungen auf die angrenzenden Hauptverkehrsstraßen des Teltower Dammes, der Clayallee sowie der Potsdamer Straße."

Auch die Verkehrslenkung Berlin, die bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt angesiedelt ist, und die in eine solche Sperrung einwilligen müsste, ist gegen das Vorhaben. Da für einen wirklich attraktiven Wochenmarkt aber in der historischen Mitte nirgendwo anders Platz ist, wird es wohl diese von den Händlern erhoffte "Erhöhung der Attraktivität des Teltower Damms" nicht geben. Denn selbst eine sporadische Sperrung, beispielsweise nur für die Wochenenden, soll es nicht geben.

Bezirksbürgermeister Norbert Kopp (CDU) hatte dem Zehlendorf Blog bereits im Sommer gesagt: "Wenn das Verkehrsgutachten ergibt, dass die Straße nicht gesperrt werden kann, dann sind alle Träume geplatzt." Kopp will sich zwar noch nicht abschließend äußern, bevor das Gutachten endgültig vorliegt, aber im Bezirksamt geht man davon aus, dass man nun nochmals ganz neu nachdenken müsse.

Seit Jahren wird in Zehlendorf über den Wochenmarkt und die Gesamtgestaltung des Ortskerns gestritten, ohne dass, wie einige Kritiker monieren, der Bezirk sich zu einer klaren Haltung durchgerungen hätte. Vor allem ältere SPD-Politiker, wie der ehemalige Stadtrat und Vorsitzende des Heimatvereins, Klaus-Peter Laschinsky, werfen der Zählgemeinschaft aus CDU und Grünen vor, sie würden sich hinter dem Verkehrsgutachten verstecken. Objektiv betrachtet ist aber tatsächlich ohne Sperrung der Kirchstraße kein wirklich großes Rad zu drehen. Zehlendorfs alter Dorfkern ist wohl dauerhaft durch die Hauptverkehrsstraßen zerstört.

Der Weihnachtsmarkt wird von vielen ironisch belächelt

Um die Größenordnung der Debatte zu verstehen, muss man wissen, wie das historische Dorfbild ausgesehen hat, für das sich bis heute das Heimatmuseum stark macht. Das Rathaus bildete mit dem Dorfanger bis zur alten Dorfkirche eine Einheit. Längst aber ist diese Einheit durch die großen Hauptverkehrsstraßen gesprengt. Der "Historische Winkel" - Dorfkirche, Friedhof, die große Friedenseiche und das Gebäude, in dem heute das Heimatmuseum untergebracht ist und früher die erste Grundschule Zehlendorfs zu Hause war - ist isoliert wie eine Insel.

Drum herum tobt der Verkehr der Clayallee und der Berliner Straße/Potsdamer Straße. Die Grünfläche, die auf der anderen Seite des "Automeers" beginnt und bis zur Kirchstraße geht, ist klein und liegt eingequetscht zwischen Teltower Damm und Standesamt. In der Adventszeit ist dort nun im dritten Jahr ein Weihnachtsmarkt angesiedelt, der von den meisten Bürgern eher verächtlich oder ironisch betrachtet wird. Er ist einfach zu klein, um wirklich attraktiv sein zu können. Am meisten freuen sich wohl die Kinder über die "Schlittschuhbahn", die allerdings nicht aus Eis, sondern aus Kunststoff besteht.

Der Autor ist Redakteur für besondere Aufgaben im Tagesspiegel.
Der Autor ist Redakteur für besondere Aufgaben im Tagesspiegel.

© Kai-Uwe Heinrich

Nun sieht es also so aus, als würde nichts werden aus den Plänen, die von der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) eingefordert worden sind. Im März 2012 hatte die BVV mit Zustimmung von CDU, Grünen und SPD beschlossen, dass das Bezirksamt die "planungsrechtlichen Voraussetzungen" schaffen möge, "damit in der Kirchstraße ein Stadtplatz entsteht sowie der Teltower Damm im Bereich zwischen Zehlendorf Eiche und Einmündung Machnower Straße neu gestaltet werden kann". Weiter hieß es: "Dabei sollen auch die verkehrlichen Auswirkungen untersucht werden."

Dies ist nun geschehen, und sehr wahrscheinlich bedeutet das Gutachten das Ende aller Pläne.

Der Autor ist Redakteur für besondere Aufgaben im Tagesspiegel und hat den Zehlendorf Blog konzipiert, der Text erscheint auf dem Zehlendorf Blog, dem Online-Magazin dieser Zeitung.

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