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Online-Hilfe für Fragesteller. Jan Kopankiewicz (li.) und Victor Brekenfeld haben das Kommunikations-Tool www.presifeed.com entwickelt.

© Anett Kirchner

Zehlendorfer Studenten gründen Kommunikationsplattform: Wer nicht fragt, bleibt dumm

Das Geschäftsmodell zweier Studenten aus dem Berliner Südwesten beruht auf Erfahrungen in Uni-Hörsälen: Manche Kommilitonen sind zu schüchtern, um die Professoren etwas zu fragen. Ein Online-Dienst soll solche Probleme lösen.

Vor lauter Aufregung hatte sich Jan Kopankiewicz beim ersten offiziellen Testlauf seines Software-Projektes in der Freien Universität (FU) Berlin leicht verspätet. Bloß schnell den Laptop hochfahren. Möglichst unauffällig in die letzte Reihe setzen. Still verhalten. Auf geht’s! Unauffällig ist jedoch schwierig, wenn man die Hauptperson ist. Wie peinlich, dachte sich der BWL-Student.

Professor Sascha Raithel nahm es gelassen, begann den Studierenden im Hörsaal zu erklären: „Ich stelle Ihnen heute eine Webseite vor, die zwei Ihrer Kommilitonen entwickelt haben.“ Jan Kopankiewicz platzte fast vor Stolz, und diese Freude ist ihm heute noch anzumerken. Mit begeistertem Lächeln erzählt der 22-Jährige Zehlendorfer von seinem Projekt. Er hat gemeinsam mit Victor Brekenfeld das Kommunikations-Tool www.presifeed.com entwickelt.

Mit dieser Unternehmung sind die beiden kürzlich beim „Funpreneur“-Wettbewerb an den Start gegangen. Der findet in jedem Semester statt und wird von „Profund“ ausgerichtet, der Gründungsförderung der FU. Am Anfang bereiten sich die Studenten in Kursen zu Marketing, Recht und Vertrieb vor, um anschließend mit fünf Euro Startkapital ein Unternehmen auf Zeit – für fünf Wochen – zu gründen. Von 22 Teams sind Jan Kopankiewicz und Victor Brekenfeld unter die besten zehn gekommen. „Das war unser Ziel und das haben wir geschafft“, freuen sie sich.

Auf dem Weg zur echten Firma

Der Wettbewerb ist inzwischen beendet, aber sie wollen ihr Projekt fortsetzen und möglichst ein „richtiges“ Unternehmen gründen. Was dahinter steckt? Die Webseite „Presifeed“ ist vor allem für Studenten gedacht, die in einer Vorlesung eine Frage haben, sich aber nicht trauen, diese öffentlich zu stellen. „Bei bis zu 350 Zuhörern im Saal will man schließlich nicht der eine Dumme sein, der etwas nicht kapiert“, weiß Jan Kopankiewicz aus Erfahrung. Und weil heute jeder Student einen Laptop, Tablet-PC oder ein Smartphone bei sich trägt, entstand die Idee, ein digitales Frage-Antwort-System aufzubauen. Anonym und ohne Registrierung.

Der Professor kann gleich reagieren

So kann es gehen: Bei Vorlesungen geben Zuhörer ihre Fragen ins Smartphone oder einen tragbaren Computer ein – und der Professor sieht die Beiträge online.
So kann es gehen: Bei Vorlesungen geben Zuhörer ihre Fragen ins Smartphone oder einen tragbaren Computer ein – und der Professor sieht die Beiträge online.

© promo

Es funktioniert wie folgt: Zunächst gibt der Professor einen Code für eine bestimmte Vorlesung vor, der eingangs auf der Webseite eingetragen werden muss. Dann kann jeder in der Vorlesung live seine Frage online stellen. Oder er hat die Möglichkeit, die Frage eines Kommilitonen anzuschauen und zu bewerten. Das wird dann nach „Beliebtheit“ sortiert. An erster Stelle steht jeweils die am häufigsten gestellte Frage. Der Professor sieht das sofort, antwortet entweder direkt oder in den letzten Minuten der Vorlesung.

„Es bleibt jedem Lehrenden überlassen, wie er das handhabt“, erklären die Projektentwickler. Vieles werde noch ausprobiert und weiterentwickelt. Derzeit sei ihre Seite in der Testphase. Nach den Sommerferien mit Beginn des neuen Semesters soll das Tool dann offiziell starten.

Sie erinnern sich, dass beim ersten Testlauf gleich der Server abstürzte. Die Session war verloren, alle Fragen verschwunden. „Mir rutschte das Herz in die Hose“, erzählt Kopankiewicz. Zum Glück hatte er sich die Fragen per Hand notiert und konnte alles nachtragen. Eigentlich, so findet er, ist es prima, wenn etwas schief geht: „Dann können wir den Fehler direkt verfolgen und ausbessern.“ Deshalb sein Fazit: Viele Fehler sind gut – jetzt in der Lernphase.

Jan Kopankiewicz und Victor Brekenfeld sind beide in Steglitz-Zehlendorf geboren, aufgewachsen und zur Schule gegangen. Kennengelernt haben sie sich allerdings erst bei dem Funpreneur-Wettbewerb vor wenigen Wochen. Bei der Einführungsveranstaltung saßen sie zufällig nebeneinander und verstanden sich sofort gut. Kopankiewicz studiert im sechsten Semester BWL an der Universität Potsdam. Brekenfeld, 21 Jahre alt, studiert Informatik an der FU, ebenfalls im sechsten Semester. Nächstes Jahr wollen sie ihren Bachelor machen. Bis dahin wäre es gut, wenn ihr Projekt ausgereift ist.

Gearbeitet wird, wo es gerade passt

Also werden sie in den nächsten Wochen – trotz Büffeln für die Klausuren – weiter an ihrer Webseite basteln. Ihr Arbeitsplatz ist dabei variabel, in einem Café, im Park, am See oder zu Hause – so ein modernes, kleines IT-Unternehmen braucht kein Büro, und die Kosten halten sich auch im Rahmen. Im Moment zahlen sie sieben Euro im Jahr für die Webadresse (Domain). Sie sehen sich auch selten. „Wir sind aber immer einen Mausklick voneinander entfernt“, beschreiben sie, und da ist es plötzlich wieder, dieses Lächeln mit dem Leuchten in den Augen. Wer es sieht, spürt, wie sehr sie für ihr Projekt brennen. Viele Nächte haben sie sich dafür um die Ohren geschlagen. Wie mit einem Kleinkind.

Es geht nicht nur um Uni-Vorlesungen

Und wie es sich für richtige Eltern gehört, sind sie auch stolz auf den Namen ihres Kindes. „Presifeed“ setzt sich aus den englischen Wörtern Presentation und Feed zusammen. Präsentation, weil das Tool speziell für Vorträge, Seminare, Ausstellungen eingerichtet ist; für alle Veranstaltungen, bei denen etwas gezeigt wird. „Denn wir möchten die Webseite nicht nur für akademische Vorlesungen anbieten“, verraten die angehenden Jungunternehmer. Wichtig sei noch, dass Presifeed kein E-Learning-Tool, also nicht zum Lernen gedacht ist, sondern lediglich zum Fragenaustausch. Das Wort Feed kommt aus der Computersprache. Damit ist eine Liste gemeint, die abgearbeitet werden kann.

Für das Online-Portal hat Informatik-Student Brekenfeld extra eine neue Software entwickelt. Kopankiewicz bringt sich mit seinem BWL-Wissen ein, kümmert sich um das Marketing und führt beispielsweise Gespräche mit potenziellen Kunden. Er ist der Offensivere, kommuniziert gern und leidenschaftlich. Brekenfeld ist zurückhaltender, arbeitet lieber für sich, dabei effektiv und sehr genau. Sie ergänzen sich gut – und hoffen, dass dies die Basis für ein erfolgreiches Unternehmen ist.

Im Moment bezeichnen sie sich selbst noch als eine Unternehmung: „Brekenfeld, Kopankiewicz GbR“ steht im Impressum der Webseite. Vielleicht wird später daraus ein reales Startup – Made in Zehlendorf.

Die Autorin Anett Kirchner ist freie Journalistin, wohnt in Steglitz-Zehlendorf, und schreibt als lokale Reporterin regelmäßig für den Tagesspiegel Zehlendorf. Folgen Sie Anett Kirchner auch auf Twitter.

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