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Berlin: Bezirksfusion: Rote Rathaus-Chefs und schwarz-grüner Pakt

Überraschungskandidaten für zwei Bürgermeisterposten und ein weiteres schwarz-grünes Bündnis - die Fusion der Bezirke zum Anfang kommenden Jahres lässt die Kommunalpolitik Kapriolen schlagen.Von der Platte in die MitteFriedrichshain / Kreuzberg.

Überraschungskandidaten für zwei Bürgermeisterposten und ein weiteres schwarz-grünes Bündnis - die Fusion der Bezirke zum Anfang kommenden Jahres lässt die Kommunalpolitik Kapriolen schlagen.

Von der Platte in die Mitte

Friedrichshain / Kreuzberg. Im Bürgermeistersessel fühlt sich die quirlige 45-Jährige bereits wohl: Bärbel Grygier ist derzeit Rathauschefin in Hohenschönhausen, zum kommenden Jahr wechselt sie voraussichtlich in dieser Funktion nach Friedrichshain-Kreuzberg. Personalausschuss und Landesvorstand der PDS entschieden sich für die als Integrationsfigur geltende parteilose Politikerin, nachdem der bisherige Kandidat Dieter Hildebrandt nach Vorwürfen in Zusammenhang mit einem Bauprojekt zurückgetreten war. Auf ihn hatte sich das linke Dreierbündnis aus SPD, Grünen und PDS ursprünglich geeinigt.

Letztere hatte angestrengt einen neuen Anwärter gesucht. Im Gespräch waren Thomas Flierl, derzeit Mittes Baustadtrat, und die PDS-Kreisvorsitzende und Abgeordnete Martina Michels. "Ich hätte es gerne gemacht", meinte Flierl gestern. Gleichzeitig hält er die neue Kandidatin für "amtserfahren und in der Lage, Ost-West-Konflikte zwischen Friedrichshain und Kreuzberg zu moderieren." Zwischenzeitlich soll PDS-Frontmann Gregor Gysi als Rathaus-Chef gehandelt worden sein. "Ein Witz", sagt der Friedrichshainer Fraktionschef Knut Mildner-Spindler, "darüber ist nie ernsthaft diskutiert worden."

Bei den Grünen trifft Grygier auf Zustimmung: "Eine gute Wahl", lobte der Kreuzberger Fraktionsvorsitzende Reimund Helms. SPD-Kreischef Stefan Zackenfels nannte das einstimmige Votum der PDS-Gremien dagegen vorsichtig "eine Entscheidung, die ich respektiere". Ganz unproblematisch dürfte Grygier in der Tat für die Genossen nicht sein: In Hohenschönhausen forderte die SPD noch vor drei Jahren ihren Rücktritt und warf ihr "Pflichtverletzung und Fehlleistungen" vor. Damals ließ man gegen sie sogar 20 000 Flugblätter drucken, die in Hohenschönhausener Briefkästen landeten. Im vorigen Jahr legte sich die Bürgermeisterin dann mit SPD-Finanzstadtrat Matthias Stawinoga an, weil dieser angeblich eine Armbanduhr als Geschenk angenommen und damit, so Grygier, "der Korruption Vorschub geleistet" habe. Und auch wenn sich das Ganze als Provinzposse entpuppte - die Uhr war nur fünf Mark wert.

Am kommenden Freitag will die PDS ihre Kandidatin nun offiziell küren, gemeinsam mit den anderen Stadträten wird sie dann voraussichtlich auf der ersten Sitzung der neuen Bezirksverordnetenversammlung am 18. Oktober ins Amt gehoben. Mit Grygier an der Spitze könnte der neue Großbezirk vielleicht auch neue Freunde im Ausland finden - sie war es, die den Nobelvort Beverly Hills als Partnerbezirk von Hohenschönhausen gewinnen wollte.

Rot-Rot gegen Schwarz-Grün

Pankow-Prenzlauer Berg-Weißensee. Im künftigen Großbezirk wird voraussichtlich der SPD-Mann Alex Lubawinski, zurzeit Stadtrat für Jugend und Kultur in Pankow, Bezirksbürgermeister. Die Kreisdelegiertenversammlungen von SPD und PDS haben sich nun mit jeweils großer Mehrheit für die Bildung einer Zählgemeinschaft ausgesprochen. Neben Rot-Rot wird es im Großbezirk - zum zweiten Mal in Berlin nach Mitte - eine schwarz-grüne Kooperation geben. Die CDU und die Bündnisgrünen wollen heute eine Vereinbarung über die Zusammenarbeit auf kommunalpolitischer Ebene unterzeichnen, teilte gestern CDU-Kreisvorstandsmitglied Detlef Orwat mit.

Bei der Kreisdelegiertversammlung der SPD hatte sich außer Lubawinski auch der derzeitige Bürgermeister von Prenzlauer Berg, Reinhard Kraetzer, zur Wahl gestellt, der bei Beobachtern als Favorit galt. Doch die SPD-Delegierten votierten mit knapper Mehrheit für den Pankower. Der Weißenseer SPD-Bürgermeister Gert Schilling hatte seine Kandidatur zurückgezogen, als die Rot-Rot beschlossen war.

Morgen wählt die konstituierende Bezirksverordnetenversammlung die sechs Bezirksamtsmitglieder, die ab 2001 amtieren. Lubawinski wäre neben dem Köpenick-Treptower Kandidaten Klaus Ulbricht der einzige SPD-Bürgermeister in Berlin.

Mit Hilfe der Zählgemeinschaft kann die SPD den Bürgermeister stellen, obwohl die PDS mit 35 Verordneten stärkste Fraktion in der BVV ist. Eine Zählgemeinschaft ist keine Koalition - die ist auf Bezirksebene nicht vorgesehen -, sondern eine vorherige Wahlabsprache über Parteiengrenzen hinweg. Die Zusammenarbeit von PDS und SPD im gemeinsamen Bezirk wird jedoch über die Wahl des SPD- Bürgermeisters und der drei PDS-Stadträte hinausgehen. "Wir haben eine Vereinbarung erarbeitet und einige wichtige Ziele formuliert", sagt Lubawinski, der seit zehn Jahren Stadtrat in Pankow ist. In dem 10-Punkte-Papier, übertitelt mit "Gemeinsame Projekte der kommunalpolitischen Arbeit im neuen Bezirk", wird unter anderem die Erhaltung der Kliniken in Buch und Prenzlauer Berg und der flächendeckenden Kita-Versorgung gefordert, kombiniert mit einer Haushaltskonsolidierung.

Die PDS entschied sich für einen SPD-Bürgermeister, nachdem klar war, "dass weder CDU noch SPD noch Grüne einen PDS-Bürgermeister mit tragen würden", sagt der Pankower PDS-Fraktionschef Reiner Eigendorf. Als Stadträte nominierte seine Partei den Pankower Baustadtrat Andreas Bossmann, die Weißenseer Jugendstadträtin Christine Keil sowie Burkhard Kleinert, zurzeit Jugendstadtrat in Prenzlauer Berg. Die Kreisdelegiertenversammlung der CDU, die zwei Stadträte stellen wird, nominierte ihre Kandidaten am Montag abend. Das Ergebnis lag bei Redaktionsschluss nicht vor.

Johannes Metzler, Katharina Körting

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