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Berlin: Biermann geht dem Senat an die Ehre

Für den Liedermacher ist Rot-Rot „verbrecherisch“ Am Montag erhält er die Ehrenbürgerwürde

Die harschen Angriffe des künftigen Berliner Ehrenbürgers Wolf Biermann hinterließen bei den Politikern der rot-roten Koalition eine gewisse Fassungslosigkeit; zwei Tage vor der Ehrung hielten sie sich aber mit ihren Reaktionen zurück. „Es ist mehr als peinlich, dass sich ein künftiger Ehrenbürger derart im Ton vergreift“, sagte Michael Müller, Landes- und Fraktionschef der SPD. Laut „Leipziger Volkszeitung“ hatte Biermann es als verbrecherisch bezeichnet, „dass die SPD mit der PDS ins Bett geht“. Der Liedermacher müsse sich fragen lassen, ob es guter Stil sei, die Koalition so zu beschimpfen, wenn ihm die Stadt jetzt die Ehrenbürgerwürde verleiht, sagte SPD-Fraktionssprecher Peter Stadtmüller. Der Landesvorsitzende der Linkspartei/PDS, Klaus Lederer, sagte, die Ehrung sei eine Sache auf Gegenseitigkeit; Biermann sollte darüber nachdenken, von wem er die Würde entgegennimmt. Am Montag soll die Feier zur Ehren Biermanns im Roten Rathaus stattfinden.

Bereits bei der ersten Auflage der rot-roten Koalition 2001 hatte Biermann vor allem die SPD heftig angegriffen. Damals bezeichnete er sie unter anderem als „bankrotte sozialdemokratische Apparatschiks“, die „den Erben der DDR-Nomenklatura den Steigbügel“ halten und sich „mit totalitären Verwesern ins Koalitionsbett legen müssen, also mit SED- und MfS-Kadern, die das kaum getrocknete Blut ihrer Opfer noch am Ärmel haben“.

Bei den Oppositionsfraktionen gab es gestern durchaus Verständnis für Biermanns Äußerungen. Der Vizepräsident des Abgeordnetenhauses, Uwe Lehmann-Brauns (CDU), Anwalt und Freund des Liedermachers, sagte, es sei dessen gutes Recht, sein Unbehagen an der rot-roten Koalition kundzutun. In dieser Haltung habe er sich nicht geändert. Es gebe schließlich keinen Maulkorb. „Das gehört zur Stadt, das muss man auch aushalten“, sagte Lehmann-Brauns. Die Grünen machen aus ihrer Freude über Biermanns Seitenhiebe gegen Rot-Rot kein Hehl. Das Besondere an Künstlern wie Biermann sei eben, „dass man sich an ihnen reiben kann und soll“, sagte die Bundesparteichefin der Grünen, Claudia Roth, gestern in ihrer Rede auf dem Landesparteitag der Berliner Grünen. Der Linkspartei/PDS warf sie indirekt vor, mit ihrer anfänglichen Weigerung der Biermann-Ehrung die Kulturpolitik der SED fortzusetzen.

Volker Ratzmann, Grünen-Fraktionschef im Abgeordnetenhaus, forderte den Senat auf, sich mit Biermanns Kritik auseinanderzusetzen. „Er war immer ein Künstler, an dem man sich reiben muss – aber der Senat muss diese Reibung auch wollen“, sagte Ratzmann. „Stattdessen macht Rot-Rot das Gegenteil und hat versucht, die Auseinandersetzung wegzudrücken.“ Die vor allem von Klaus Wowereit lange vertretene Weigerung, Biermann zu ehren, hat aus Ratzmanns Sicht vor allem eins gezeigt: „Diese Regierung ist nicht souverän.“

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