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Versteigerung im Berliner Hauptzollamt: So ähnlich geht es auch in den Amtsgerichten bei Zwangsversteigerungen zu.

© dapd

Bieterkampf: Wer "steigert" sich nach Prenzlauer Berg?

Wenn schöne Wohnungen in Szenekiezen bei Zwangsversteigerungen unter den Hammer kommen, ist der Andrang groß. Das Protokoll einer kuriosen Auktion im Amtsgericht Mitte.

Kurz vor neun Uhr morgens vor der Tür des Sitzungssaals im Amtsgericht Mitte ist es schwarz vor Menschen – geschätzte 130 Interessenten mit und ohne Migrationshintergrund, Schwangere, eine bekannte Filmschauspielerin, ergraute Doktoren. Man mustert sich gegenseitig.

Auch Alexander Z. ist extra aus München angereist, um sich diese Wohnung zu ersteigern. „In München braucht man es ja gar nicht erst zu versuchen, bei den Preisen“, sagt er und prallt überrascht zurück beim Anblick der Konkurrenz. Auch die kommt aus allen Teilen der Republik. Man hört es schwäbeln, in einer der hinteren Sitzreihen äußert um zwanzig nach neun jemand, der auch keinen Sitzplatz bekommen hat, mit österreichischer Färbung „jetzt kannt‘s aba losgeh‘n“.

Sie alle sind hier wegen: 111 Quadratmeter, drei Zimmer, Balkon mit Blick auf Mauerpark und Fernsehturm. Festgesetzter Verkehrswert: 132.000 Euro. Vermietet und renoviert ist die Wohnung auch. „Eine Traumbude“, raunt ein Interessent.

Interesse an Terminen boomt

Unter den Interessenten sind Dänen, Weißrussen, Polen und Franzosen - aber kaum Berliner. Die Hälfte der Bieter auf Zwangsversteigerungen kommt aus Ost-, die andere aus Westeuropa, heißt es beim Amtsgericht Mitte.

Die Zahl der Zwangsversteigerungen ist seit etwa anderthalb Jahren rückläufig, doch das Interesse an den Terminen boomt. Schnäppchen ließen sich fast nur noch bei renovierungsbedürftigen Wohnungen machen, erzählt eine Rechtspflegerin beim Amtsgericht. Die echten Sahnestücke werden höher gehandelt.

Weil die Preise in Prenzlauer Berg und Friedrichshain stark gestiegen sind, konzentriert sich das Interesse mittlerweile auf den ehemaligen Arbeiterbezirk Wedding. Derzeit kommen bei den drei zuständigen Rechtspflegern am Amtsgericht bis zu zwölf Objekte pro Woche unter den Hammer. Nur ganz selten geht ein Objekt erst beim zweiten oder dritten Mal weg.

Nur nicht in einen Rausch hineinsteigern

Die Interessenten müssen eine Sicherheitsleistung von zehn Prozent des Verkehrswertes an die Justizkasse überweisen, einen bestätigten Scheck oder eine Bürgschaft vorlegen. Dann kann losgesteigert werden. Aber Vorsicht, wer sich „in einen Rausch“ hineinsteigert und am Ende nicht zahlen kann, wird im Grundbuch als Eigentümer eingetragen. Die Zwangsversteigerung läuft dann gegen ihn.

Alexander Z. hat die zehn Prozent Sicherheitsleistung überwiesen und wippt nun nervös mit den Knien. Bevor die Auktion endlich losgeht, werden die Anwesenden ermahnt bei künftigen Gelegenheiten nicht mehr bei den Mietern zu klingeln. „Sie wollen doch auch nicht, dass so viele Fremde über Ihren Wohnzimmerteppich trampeln.“

Das erste Gebot liegt bei 160.000 Euro. Auch die Schauspielerin bietet mit, zieht sich aber schnell zurück. Der Sitznachbar aus München ist auch bald aus dem Rennen. Zäh klettert der Preis in 1000 Euro-Schritten nach oben.

Mieter kündigt Widerstand an

Gerade murrt jemand in der Nähe etwas über den mangelnden Unterhaltungswert der Veranstaltung, als ein Mann mit Baseball-Mütze in einer der vorderen Reihen aufsteht. Der Vorsitzende stellt ihn als „der Mieter“ vor. „Sicher erwarten Sie alle, dass die Wohnung besenrein übergeben wird. Aber meine künftige Frau und ich haben uns genau erkundigt und werden unsere Mitgliedschaft beim Mieterschutzbund voll ausreizen.“ So leicht wird er nicht aus der Wohnung, in der er seit acht Jahren lebt, weichen. Die künftigen Besitzer sollen sich auf harten Widerstand einstellen.

Applaus vom Bieterpublikum. Und jetzt kommt der Bieterstreit so richtig in Fahrt. Schon liegt das Gebot bei über 200.000 Euro. Noch zwei Minuten. Zwei Damen und zwei Herren, denen man so viel Geld gar nicht zugetraut hätte (Mitte Dreißig, Typ ewiger Student der Geisteswissenschaften) kämpfen um die Wohnung. Sieben Minuten nach dem eigentlichen Ende der Auktionszeit liefern sich zwei Bieter ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Doch bei 227.000 Euro hebt der Mieter nochmals die Hand - „228.500 Euro.“ Verblüffte Stille. Zum ersten, zum zweiten und zum dritten.

Erneut Applaus. Der Mieter bekommt den Zuschlag - und kann seinen Mieterschutz nun wohl kündigen.

Alexander Z. aus München hat letztlich kein einziges Gebot abgegeben. Der Besuch in Berlin hat sich trotzdem gelohnt. „Das war doch viel aufregender als eBay“, grinst er. 

Maike Redeker

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