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Bildungsdefizite: Zöllner will Sprachtests schon für Dreijährige

Berlins Bildungssenator will Kinder früher auf Sprachdefizite testen. Das Ziel: Möglichst viele sollen möglichst früh in die Kita.

Berlin - Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) will verpflichtende Sprachtests und Sprachkurse für alle Berliner Kinder schon im Alter von dreieinhalb Jahren einführen. Ob dies rechtlich durchsetzbar ist, lässt die Bildungsverwaltung derzeit prüfen. Hintergrund sind die gravierenden Sprachdefizite vieler Kinder aus bildungsfernen Elternhäusern und Migrantenfamilien, die später in der Grundschule nicht mehr aufgeholt werden können. Bislang sind in Berlin nur Eltern viereinhalbjähriger Kinder verpflichtet, ihren Nachwuchs zu Sprachtests zu schicken und sie im Falle schlechter Ergebnisse an Förderkursen teilnehmen zu lassen. Diese Grenze soll gesenkt werden. Dabei verweisen Experten auf Studien, nach denen die entscheidende Sprachentwicklung schon sehr frühzeitig beginnt.

Vom Tisch ist dagegen offenbar die Überlegung, eine allgemeine Kitapflicht einzuführen oder zumindest den Kitabesuch für Kinder verpflichtend zu machen, die bei Sprachtests durchfallen. Zuletzt hatten der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit und Neuköllns Bürgermeister Heinz Buschkowsky (beide SPD) dies ins Gespräch gebracht. Doch eine Kitapflicht ist aus Sicht von Verfassungsrechtlern rechtlich unzulässig. Sie verstoße gegen das grundgesetzlich garantierte Elternrecht, sagt der Berliner Verfassungsrechtler Christian Pestalozza.

Laut Bildungsverwaltung ist eine Kitapflicht zur besseren Sprachentwicklung „auch gar nicht nötig“. Man habe seit 2009 „andere gute Modelle entwickelt“, um Eltern zu überzeugen, ihre Kinder zwecks sprachlicher Förderung letztendlich in eine Kita zu schicken, sagt Jugendreferentin Kirstin Fussan. Dazu zählt sie vor allem die gekoppelten Sprachtests und -kurse, die in Tagesstätten durchgeführt werden und nach dem Berliner Schulgesetz verpflichtend sind.

So wurden im Frühjahr 2010 die Eltern aller Viereinhalbjährigen in Berlin aufgefordert, ihre Kinder in benachbarten Kitas an einem Sprachtest teilnehmen zu lassen, dazu gehörten auch rund 2000 Familien, die ihren Nachwuchs noch nicht in eine Tagesstätte schickten. Nahezu jedes dritte Kind aus diesen Familien hatte Förderbedarf. Doch etwa 90 Prozent der betroffenen Mädchen und Jungen besuchen heute keinen der angebotenen Sprachförderkurse, sondern gleich eine Kita, in der sie von ihren Eltern angemeldet wurden. Offenbar verloren die meisten Eltern durch den erzwungenen Kontakt mit der Kita ihre Skepsis. Außerdem sagten sie sich, statt eines dreistündigen Kurses könnten sie ihr Kind auch gleich in eine Tagesstätte schicken, zumal die letzten beiden Kitajahre gratis sind.

Den gleichen Effekt erhofft sich die Verwaltung nun von den angestrebten früheren Tests für Dreieinhalbjährige. Denn letztlich sei die alltägliche Sprachförderung in Berlins Kitas noch hilfreicher als spezielle Kurse. Rechtlich lässt sich die frühere Überprüfung offenbar durchsetzen. Staatsrechtler Pestalozza sieht keinen unzulässigen Eingriff ins Elternrecht. Der Staat sei vielmehr verpflichtet, alle Kinder auf die Schule gut vorzubereiten.

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