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Bildungsstreik "Bildung sttt Banken" in Berlin

© - Foto: ddp

Bildungsstreik: Clowns überfallen Bank

Die Bildungsproteste gehen weiter: In Berlin stürmen Studierende Geldinstitute - während die Kultusminister eine Delegation der Streikenden empfangen.

Die Kultusminister waren am gestrigen Donnerstag in der Überzahl, als sie in der baden-württembergischen Landesvertretung mit streikenden Schülern und Studierenden diskutierten. Neun Minister – darunter der KMK-Vorsitzende Henry Tesch (CDU, Mecklenburg-Vorpommern), Eva-Maria Stange (SPD, Sachsen), Barbara Sommer (CDU, Nordrhein-Westfalen) und Jan-Hendrik Olbertz (parteilos, Sachsen-Anhalt) – saßen sechs Schülern und Studierenden gegenüber. Nach dem Gespräch am Rande des KMK-Treffens zeigten sich beide Seiten zufrieden. Jan Latza, Student der Humboldt-Universität, nannte die Diskussion „sachlich orientiert“. Es habe „überraschende Übereinstimmungen“ gegeben. Olbertz sagte, beim Bologna-Prozess gebe es „tatsächlich viele Umsetzungsprobleme“, die man angehen wolle. Die Minister würden die Studierenden als „Seismographen für die Probleme ernst nehmen“. Henry Tesch sagte, die Studenten sollten jetzt mit den Ministern in Kontakt bleiben.

Aus der KMK war indes auch zu hören, das Engagement der Studierenden sei zwar lobenswert. Jedoch seien sie „naiv“ und über politische Zusammenhänge schlecht informiert, wie ihre „Pauschalforderungen“ zeigten. Für den heutigen Freitag haben die Streikorganisatoren zu einer Protestkundgebung vor dem Tagungsort der KMK aufgerufen.

Am Tag nach der großen Demonstration hatte der Bildungsstreik wissenschaftlich begonnen: „Quantenmechanik für Fußgänger“ stand auf einem Transparent vor dem Roten Rathaus, wo ab zehn Uhr öffentliche Vorlesungen stattfanden. Er habe seinen Kurs auf den Platz verlegt, um mehr Berliner darauf aufmerksam zu machen, dass „das Sparpotenzial an den Hochschulen ausgeschöpft“ sei, sagte Eckehard Schöll, Physikprofessor an der Technischen Uni. Passanten blieben stehen, klatschten und machten Fotos.

Die angekündigten symbolischen Banküberfälle starteten am Morgen in einer Filiale der Commerzbank in Friedrichshain. Als Cowboys und Clowns maskierte Aktivisten stürmten die Bank, warfen Konfetti. Sie hätten den Filialleiter mit vorgehaltener Wasserpistole aufgefordert, ein „Rettungspaket für die Bildung“ zu unterschreiben, sagte Unternehmenssprecher Stefan Zech. Eine Anspielung auf den Bankenrettungsschirm der Bundesregierung. Der Banker unterschrieb nicht.

Am Nachmittag besetzten nach Polizeiangaben etwa 35 Studierende eine Filiale der Commerzbank in der Nürnberger Straße (Charlottenburg), sie hätten das Gebäude am frühen Abend verlassen. Rund 50 drangen in die Deutsche Bank am Wittenbergplatz ein, 200 Demonstranten blockierten die Straße davor. Sie hätten sich von der Polizei abdrängen lassen, ohne Widerstand zu leisten. Am Abend räumte die Polizei die Bank, wobei es zu einem „Gerangel“ mit den Besetzern kam, wie ein Sprecher sagte. Die Beamten stellten die Personalien der Aktivisten fest.

In der Rankestraße versammelten sich rund 500 teilweise in Nadelstreifen-Anzüge gekleidete Studierende vor der Bank Hypo Real Estate. Sie skandierten: „Bei den Banken sind sie fix, für die Bildung tun sie nix.“ Es kam zu Auseinandersetzungen mit der Polizei, als diese einen Demonstranten festsetzte. Die Menge umzingelte den Polizeibus, klopfte an die Türen und verlangte die Freilassung des Protestlers. FU-Politologe Peter Grottian rief zu friedlichem Protest auf, die Lage beruhigte sich. Nach einer Kundgebung, auf der auch eine Gewerkschaftsvertreterin sprach, zog die Menge ab, ohne die Bank betreten zu haben.

In der TU-Bibliothek hatten Aktivisten zum „massenhaften öffentlichen Bücherausleihen“ aufgerufen. Die Organisatoren schätzen, dass 300 Studenten bis zum Nachmittag etwa 2000 Bücher entliehen. Vor dem Gebäude fand eine öffentliche Lesung aus den Werken statt. Man wolle so auf den Büchermangel in den Bibliotheken hinweisen, sagt Kristian, 25, Student der Landschaftsarchitektur.

Die Demonstranten, die am Dienstag das FU-Präsidialamt besetzten, hinterließen erheblichen Sachschaden. Sie beschmierten das Treppenhaus mit Parolen, rissen Marmorplatten und Bilder ab, zerstörten Heizungsverkleidungen. Die FU ist Mieterin, der Besitzer, eine Kölner Versicherungsgesellschaft, erwarte eine denkmalgerechte Sanierung, hieß es am Donnerstag. Die Kosten beliefen sich auf einen sechsstelligen Betrag. In dem in den zwanziger Jahren im Art-Deco-Stil errichteten Gebäude saß nach dem Krieg die Alliierte Kommandantur.

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