zum Hauptinhalt
Arzt - ein freier Beruf. Aber auch nicht ganz frei: Über die Kassenarztsitze entscheidet die Kassenärztliche Vereinigung. Und neuerdings sollen Ärzte nur noch in sozial schwächere Gegenden ziehen. Das passt nicht allen.

© dpa

Berlin: Bitte ins Wartezimmer

Ärzte dürfen künftig nur noch in sozial schwächere Gegenden umziehen. So sollen die Mediziner in der Stadt gerechter verteilt werden. Das gefällt nicht allen - Senator Czaja erwartet deshalb Klagen gegen die neue Regelung.

Von Fatina Keilani

Vor drei Wochen war es eine gute Nachricht für Berlins Patienten, nun zeigen sich erste Probleme: Einige Ärzte leisten Widerstand gegen den Plan, sie gleichmäßiger in der Stadt zu verteilen. Vor dem Landessozialgericht in Potsdam ist bereits ein Eilverfahren entschieden worden. Eine Psychiaterin, deren Praxis im Märkischen Viertel in Reinickendorf liegt, wollte ihren Sitz an die Bergmannstraße nach Kreuzberg verlegen. Dies lehnte die Kassenärztliche Vereinigung (KV) jedoch ab. Die Ärztin zog vor Gericht. Das sah jedoch keine so große Eilbedürftigkeit und wollte der Hauptsacheentscheidung nicht vorgreifen. Der Antrag wurde zurückgewiesen.

„Kreuzberg ist noch stärker überversorgt als Reinickendorf“, sagte ein Gerichtssprecher dazu. Dennoch sei zu prüfen, ob ein unzulässiger Eingriff in das Berufsausübungsrecht vorliege. Gesundheitssenator Mario Czaja (CDU) hatte sich vor gut drei Wochen mit Ärzten und Krankenkassen geeinigt, dass künftig auch Sozialkriterien berücksichtigt werden, wenn es um die Verteilung von Kassenarztsitzen in der Stadt geht. Wer als Arzt umziehen will, darf künftig nur noch in schwächer versorgten Gebieten arbeiten. Das ist allerdings für Ärzte nicht attraktiv, da dort die älteren, ärmeren und nur selten die privat versicherten Berliner wohnen. Im ersten Halbjahr 2013 gab es nach Angaben der KV 77 Anträge auf Umzug mit Überschreiten der Bezirksgrenzen, davon 14 in bessere Gegenden. Sie wurden abgelehnt. Weitere Klagen sind beim Sozialgericht noch nicht eingegangen.

„Es wird aber Klagen geben“, ist Czaja sicher. „Immerhin greifen wir in das Selbstbestimmungsrecht der Ärzte ein.“ Bundesweit ist Berlin das einzige Gebiet, in dem Faktoren wie etwa die Erwerbslosenquote, der Bildungsgrad, das Alter und die Vorerkrankungen der Bewohner eine Rolle dafür spielen, ob sich dort ein Arzt niederlassen darf. Dass die Mediziner sich darauf eingelassen hätten, sei nicht selbstverständlich. Da jährlich 60 bis 80 Ärzte umzögen, erwarte er für 2015 schon eine merklich bessere Ärzteverteilung in der Stadt, sagte Czaja am Dienstagabend bei einer Veranstaltung der Bürgerplattform Berlin-Südost.

Dort war auch eine Brandenburger Ärztin anwesend. Während Berlin bundesweit das beste Arzt-Einwohner-Verhältnis hat, ist im benachbarten Brandenburg die Lage bundesweit am schlimmsten. Ärztin Heike Löser aus Altglienicke schilderte die völlige Überlastung der dortigen Ärzte eindrücklich. „Wenn wieder ein Patient bettelnd am Tresen steht, der schon in sechs Praxen abgelehnt wurde, dann sagen wir nicht nein. Aber es ist unwürdig für ihn und für uns, und wir brechen unter der Belastung fast zusammen.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false