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Berlin: Blick nach oben

Wowereit hat bundespolitische Ambitionen – aber es drängt ihn nicht mit aller Macht

Mit zwei Sätzen hat es der Berliner SPD- Bundestagsabgeordnete Swen Schulz gestern auf den Punkt gebracht: „Klaus Wowereit kommt für die engere Parteispitze absolut in Frage.“ Aber: „Es drängt ihn wohl nicht mit aller Macht dorthin.“ Auch vor fünf Monaten, als Matthias Platzeck Chef der Bundes-SPD wurde, hielt sich Wowereit aus dem Gerangel um einen Platz in der zweiten Reihe fein raus. Vor allem deshalb, weil er wusste, dass er in die Machtarithmethik der großen SPD-Landesverbände – bisher jedenfalls – nicht hineinpasst.

Daran hat sich am Montag nichts geändert. Gestern, im Parteipräsidium, sprachen sich zwar SPD-Linke wie Andrea Nahles oder Björn Böhning dafür aus, Wowereit im Mai zum Partei-Vize zu wählen. Aber schon vor der Mittagsstunde war klar: Ein Ostdeutscher sollte, musste es werden. Mit dieser Entscheidung habe der Regierende Bürgermeister überhaupt kein Problem, hieß es gestern. Qua Amt, darauf weist er ständig hin, sitzt er ohnehin im SPD-Präsidium und macht auch außerhalb der Gremien mit pointierten Sprüchen bundesweit auf sich aufmerksam. Wohlkalkuliert, zweckgerichtet – und provokativ, damit die Botschaft unüberhörbar ankommt.

Das funktioniert recht gut: Die überregionalen Zeitungen zitieren ihn deutlich mehr als früher und in den einschlägigen Fernsehrunden ist er auf allen Kanälen regelmäßig präsent. Telegen ist er auf jeden Fall – und Wowereit spricht geradeaus. Einerseits ist er der Paradiesvogel aus der großen, bunten Hauptstadt, andererseits der graumelierte Herr im schwarzen Anzug, der an politischem Gewicht peu à peu gewinnt. Nicht ohne Eitelkeiten und ein bisschen kokett. Wie vor kurzem im ZDF-Frühstücksmagazin „Volle Kanne“, wo er frisch und locker wie Omas Apfelkuchen über dies und jenes plauderte und nebenbei verriet, dass er gern Rechtsanwalt oder Richter geworden wäre. „Politik war immer mein Hobby; es ist doch schön, wenn man sein Hobby zum Beruf machen kann.“

Er findet es gut, dass ihn die Großkopfeten der SPD-Spitze und der einflussreichen Landesverbände in ihre kleinen, feinen Zirkel inzwischen gut eingebunden haben. Er war auch vor den Landtagswahlen im März ziemlich stolz, weil er so viele Einladungen bekam, um für die Genossen in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Sachsen-Anhalt und Hessen Wahlkampf zu machen.

Seit einiger Zeit ist Wowereit Sprecher der SPD-geführten Länder im Bundesrat, was der Profilierung ebenso nutzt wie schon ab 2002 die Präsidentschaft und Vize-Präsidentschaft in der Länderkammer. In der Föderalismuskommission konnte Wowereit zusätzliche Erfahrungen fürs politische (Über-)Leben sammeln. Nebenbei übt er sich in der Außenpolitik: als Mitglied in der Europakammer und in den Ausschüssen für EU-Fragen und für Auswärtige Angelegenheiten des Bundesrats.

Mehr als früher spricht Wowereit über „Leitbilder“ und fordert für Berlin eine „Corporate Identity“. Einen hauptstädtischen Stolz, ein bürgerschaftliches Zusammenstehen für die Stadt über Parteigrenzen hinweg. Es gibt sogar Gerüchte, der Regierende wolle sich einen Beraterstab zulegen, der ihm visionär-intellektuell ein wenig auf die Sprünge hilft. Wowereit selbst ist ja eher politisch-handwerklich begabt. „Wenn’s mir ganz langweilig wird, lese ich mal wieder ein Buch.“ Der SPD-Mann setzt lieber auf hausgemachte Erfahrungen, seinen gesunden Instinkt und ein gutes Timing.

Der Erfolg gibt ihm letztendlich Recht. In der Gesamtnote, Pflicht und Kür, hat er sich seit Juli 2001, als die große Koalition zerbrach, sehr verbessert. Damals wollten ihn nur 30 Prozent der Berliner direkt zum Regierenden Bürgermeister wählen. Heute liegen die Werte bei 65 Prozent. za

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