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Manfred Krug.

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Erinnerungen an Manfred Krug: Bloß nicht nach Kreuzberg

Manfred Krug sah sich als Großstadtmensch. Und am wohlsten fühlte er sich in Charlottenburg.

Niemand sage, er habe uns nicht gewarnt. Und dies schon früh, als an Betontürme wie das Upper West mitten im Herzen des alten West-Berlin noch nicht zu denken war. „Manhattisierung“, so hat Manfred Krug das aus seiner Sicht in der City West um sich greifende Phänomen genannt. Das war Anfang 2003, als die Planungen für das Hotel Concorde am Joachimsthaler Platz, das heutige Sofitel, immer konkreter – und das hieß für ihn: immer bedrohlicher wurden. Denn wenngleich er das städtebauliche Problem auch grundsätzlich sah, als sich anbahnende New Yorker Verhältnisse, die der von ihm so geschätzten traditionellen Bebauung Charlottenburgs zuwiderliefen – er war doch auch Betroffener, wohnte gleich in der Nähe, in der Rankestraße, und sah seine Eigentumswohnung mit den beiden Terrassen, im Dachgeschoss eines sechsstöckigen Altbaus, vom Schattenwurf des künftigen Hotels bedroht.

Der Tagesspiegel wurde zur Homestory eingeladen

Also lud der Schauspieler ausnahmsweise mal einen Reporter des Tagesspiegels in das von ihm und seiner Frau Ottilie bewohnte Reich, überwand sein Misstrauen gegenüber den Medien, mit denen er, so ließ er durchblicken, schon schlechte Erfahrungen gemacht habe, ließ aber für alle Fälle ein Tonband mitlaufen, was sich als überflüssig erwies. An dem Bericht, der aus dem Besuch entstand, hatte er nichts zu bemäkeln.

Eine der bekanntesten Rollen Krugs war die des Anwalts Robert Liebling mit seiner Kanzlei in Kreuzberg.

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Das Hotel, „entfernt nur 20 Meter von Kante zu Kante“, werde „den halben Himmel versperren“, und die Hotelgäste könnten ihnen dann sogar „in Pfannen und Töpfe gucken“, so die damaligen Befürchtungen Krugs, der sogar kommen sah, dass er zum Duschen oder Baden bald einen „penibel beachteten Sichtschutz“ benötigen werde, und dies in der seit 14 Jahren genutzten Wohnung, in die sie Millionenbeträge investiert hätten. Es war dann noch die Rede von einer Entschädigung, die ihm der Hotelbauherr angeboten habe, aber was auch immer dabei herausgekommen sein mag: Manfred Krug hat sich in dieser Sache nie wieder gemeldet.

Von Duisburg über Brandenburg nach Berlin

Krug, der am Freitag vergangener Woche starb, war eben nicht nur der gefeierte Schauspieler und Sänger, nicht allein „Liebling Kreuzberg“, der TV-Anwalt mit Kanzlei in SO 36, sondern zunächst einmal, geschlagen mit ganz normalen Wohnungsproblemen, ein ebenso normaler Bürger dieser Stadt. Freilich nicht von Geburt an, aber welcher Berliner ist das schon. Manfred Krug stammte vielmehr aus Duisburg, aber das spielte schon lange keine Rolle mehr. 1949 war er seinem geschiedenen Vater in die DDR gefolgt, erst nach Brandenburg, doch schon 1954 kam er in Berlin an, zwecks Studiums an der Staatlichen Schauspielschule, die er nach anderthalb Jahren „wegen disziplinarischer Schwierigkeiten“ wieder verlassen musste. Aber schon kurz danach wurde er Eleve im Berliner Ensemble, bestand dort seine Bühnenreifeprüfung, spielte sogar unter Brechts Regie in Johannes R. Bechers „Winterschlacht“.

2013 wurde ihm vom damaligen Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit im Roten Rathaus das Bundesverdienstkreuz überreicht.

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Jahre des Erfolges, der zunehmenden Popularität im Film und Fernsehen der DDR folgten. Er war ihr treu geblieben, auch als die Mauer gebaut wurde und er zufällig im Westen war– der erst 16 Jahre später, im Zusammenhang mit der Ausbürgerung Wolf Biermanns, seine neue Heimat werden sollte. Bei der Defa feierte er Triumphe, und auch seine Hauptrolle in „Spur der Steine“, einem Film, der 1966 nur drei Tage nach der Berliner Premiere durch die SED abgesetzt wurde, schadete ihm letztlich nicht.

Warum Charlottenburg? "Ich kann zu Fuß zur Kneipe gehen"

Klar, dass er schon damals nicht in der Provinz lebte. „Ich war immer ein Großstadtmensch“, daran ließ er in einem Gespräch mit dem Tagesspiegel im Jahr 2003 keinen Zweifel. Der Umzug von Ost- nach West-Berlin muss ihm da wohl nicht allzu schwer gefallen sein, zumal die Wohnung in Charlottenburg „von der alten Wohnung in Ost-Berlin zehn Kilometer entfernt“ war, wie er den Wechsel nicht gerade dramatisierend beschrieb. Natürlich konnte er sich die Wohnung mitten in der City West erst leisten, als sich der Erfolg auch im Westen eingestellt und stabilisiert hatte. Warum aber Charlottenburg? „Als ich das Geld hatte, zu entscheiden, wo ich hinziehen will, habe ich mir gedacht, zieh ins Zentrum. Dann ist die Stadt um dich herum, und du ruhst in der Mitte wie ein Pol, umgeben von Peripherie. Charlottenburg war damals ungefähr die Mitte. Ich kann zu Fuß zur Kneipe gehen und muss nicht von Wannsee aus auf die Avus fahren und auf jeden Schluck Bier verzichten.“ Kreuzberg dagegen kam gar nicht infrage: „Nee, mit diesem Viertel verbindet mich gar nichts. Ich muss Sie da sehr enttäuschen. Aber wir haben tatsächlich oft in Kreuzberg gedreht. Auf diese Weise habe ich den Bezirk allmählich kennengelernt.“

Liebling Charlottenburg. Als Manfred Krug es sich leisten konnte, zog er in ein Dachgeschoss in der Rankestraße.

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Und wolle er angesichts der neuen Hochhäuser, über die er ein halbes Jahr zuvor im Tagesspiegel so geschimpft hatte, irgendwann aus Charlottenburg wegziehen, so wurde er abschließend gefragt. Manfred Krug wollte davon nichts wissen: „Nein. Hier werde ich sterben. Und wohin ich dann ziehe, ist mir egal. Das überlasse ich anderen.“

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