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Berlin: Bobby McFerrin: Fröhliche Wissenschaft

Es dauerte vielleicht 15 Minuten, bevor Bobby McFerrin seine Zurückhaltung aufgab und sang. Seine Fußsohlen tippten auf den Linoleum-Belag, während er seine helle Stimme durch sämtliche Tonlagen jagte.

Es dauerte vielleicht 15 Minuten, bevor Bobby McFerrin seine Zurückhaltung aufgab und sang. Seine Fußsohlen tippten auf den Linoleum-Belag, während er seine helle Stimme durch sämtliche Tonlagen jagte. Eindrücklicher hätte er nicht beschreiben können, wie er mit den Studenten der Hochschule der Künste in den zurückliegenden zwei Tagen gearbeitet hat. Denn der amerikanische Ausnahme-Sänger ist seit jüngstem Honorarprofessor der HdK, was, wie der Leiter des Jazzstudiengangs David Friedman schmunzelnd bemerkte, mit dem Privileg einhergeht, "kein Honorar zu bekommen". Umso größer ist die Freude an der Hardenbergstraße, dass ein Musiker solchen Formats sich für eine Zusammenarbeit mit der Hochschule bewegen ließ, die neben Peter Stein und Richard Rogler auch an Brian Eno und den Computer-Guru Nicolas Negroponte Honorarprofessuren vergeben hat. Es sei allerdings ungewiss, erklärte ein Sprecher, wie oft im Jahr der viel beschäftigte McFerrin Seminare geben werde.

Der 51-jährige McFerrin hat in seiner Karriere über zehn Grammys erhalten, mit Herbie Hancock, Chick Corea und Wynton Marsalis gespielt und vor allem mit seinen spektakulären Solo-Auftritten dem Jazz-Gesang neue Impulse verliehen. "Wir haben mit ihm einen inspirierenden Geist nach Berlin holen können", sagte der mit McFerrin befreundete Friedman, "einen Mann, der die Improvisation schlechthin verkörpert." Für die Studenten sei es eine wichtige Erfahrung, mit einem Künstler konfrontiert zu werden, der Musik nicht nur mache, sondern lebe.

Tatsächlich empfindet der zarte, lebenslustige Sänger für die Musik dieselbe fröhliche Hingabe, wie sie ein tibetanischer Mönch dem Rauschen der Natur entgegenbringen würde. Sie ist einfach überall. Und noch immer erstaunt ihn, der an einem Konservatorium studiert hat und symphonische Orchester dirigiert, "wieviel man mit zwölf Noten ausdrücken kann". Einem Schachgroßmeister ähnlich stellte sich McFerrin seit Dienstag den verschiedenen Bands, Sängern und Sängerinnen der HdK. "Als wir zu proben aufgehört hatten, konnte ich mit Singen gar nicht mehr aufhören, so voller Eindrücke war ich", berichtet McFerrin. Dass seine Stimme trotz solcher Beanspruchungen nicht leidet, verdankt er einer "sanften Technik", die Nuancen und Zwischentöne betont und Musikmachen nicht als Arbeit, sondern als Spiel versteht.

Einmal, als der immer häufiger auch als Dirigent gefragte Jazzmusiker, eine Beethoven-Symphonie probte, ließ ihn seine eigene Begeisterung hinter der Bühne herumspringen, lachen und vorsichhinsingen. Bis ein Musiker ihn bat, doch wieder seriös zu werden, immerhin dirigiere er Beethoven. Noch heute amüsiert ihn diese Bemerkung, weil sie die ganze falsche Angestrengtheit einer um Selbstachtung ringenden Kultur zeigt. Vielleicht auch deshalb interpretiert der Sohn eines New Yorker Opernsängers und einer -sängerin, der schon früh mit klassischer Musik in Berührung kam und auch eine akademische Ausbildung durchlief, erst seit wenigen Jahren Werke von Bach, Mozart, Stravinsky und Mendelssohn. Orchestermusiker treibt er regelmäßig an den Rand der Verzweiflung, wenn er auf ihre Fragen, wie sie diese oder jene Stelle spielen sollen, nur antwortet: "Ich weiß es auch nicht."

McFerrins uneigennützige Spontanität dürfte auch den HdK-Studenten manche Antwort nicht gegeben haben. Aber was sie auf eine Rückkehr des Virtuosen hoffen lässt, ist dessen unerschütterlicher Glaube, dass das Leben einfach ist. "Die beste Methode, Musik zu unterrichten? - Sobald ich den Raum betrete, fange ich an zu singen."

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