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Berlin: Böger greift ein und kassiert große Ferien der Schulpsychologen

Senator entdeckte großzügige Freizeit-Regelung zufällig Beratungsstellen sollen länger öffnen / GEW erwägt Klage

Von Susanne Vieth-Entus

„Im Augenblick sind wir nicht erreichbar. Bitte rufen Sie nach den Ferien wieder an“. So oder so ähnlich lautet die Telefonansage, die zurzeit bei Berlins schulpsychologischen Beratungsstellen geschaltet ist. Weder Sitzenbleiber noch Hochbegabte, weder Eltern noch Schüler oder Lehrer können rechtzeitig vorm neuen Schuljahr auf Hilfe hoffen. Das soll jetzt anders werden: Bildungssenator Klaus Böger (SPD) hat das Privileg der Schulpsychologen einkassiert, von der Ferienregelung der Lehrer zu profitieren.

„Wir wollen längere verlässliche Öffnungszeiten“, begründet Bögers Sprecher Thomas John die Entscheidung, die Arbeitszeiten der Schulpsychologen neu zu regeln. Es sei „nicht akzeptabel“, dass die meisten Beratungsstellen zehn Wochen im Jahr „gar nicht oder nur sporadisch“ öffneten. Auch während der Unterrichtszeit sollen die Öffnungszeiten ausgeweitet werden.

Bisher profitieren die Schulpsychologen von der Ferienregelung der Lehrer, was bedeutet, dass sie während der gesamten Ferien zu Hause bleiben dürfen. Und das, obwohl sie nur noch nebenamtlich, nämlich vier Stunden pro Woche, als Lehrer arbeiten. Dass dies möglicherweise nicht gerechtfertigt ist, räumt sogar die GEW ein. Zumal die Kapazitäten der schulpsychologischen Beratungsstellen hinten und vorne nicht reichen. Wartefristen von drei Monaten sind keine Seltenheit. Denn die Schulpsychologen müssen nicht nur bei Gewaltdelikten intervenieren. Ihre Aufgaben reichen von der Beratung bei Lernschwierigkeiten, Schulschwänzereien, Unterforderung, Legasthenie bis hin zu Fällen von Einnässen, sexuellem Missbrauch oder der Frage, ob ein Kind überhaupt schulreif ist.

Dass der Bildungssenator hinter diesen Missstand gekommen ist, der seinen sämtlichen Vorgängern verborgen geblieben war, ist offenbar eher dem Zufall zu verdanken. Böger schaltete die Juristen seiner Verwaltung ein, die denn auch prompt bestätigten, „dass die Beamten in der Laufbahn des schulpsychologischen Dienstes nicht an der so genannten Ferienregelung teilnehmen (dürfen)“. Noch im Juli wurden alle Mitarbeiter davon informiert, dass vom 19. August an, also nach den großen Ferien, eine „differenzierte Arbeitszeitberechnung“ durchgeführt werde.

Da allerdings beginnen die Probleme. Denn viele Betroffene fragen sich, wie sie von 8 bis 17 Uhr im Amt sein und dann auch noch zu abendlichen Schulkonferenzen oder Krisensitzungen eilen sollen. Und sie fragen sich auch, wozu sie in den Ferien da sein sollen, wenn doch ohnehin viele der betroffenen Schüler verreist sind. „Es sind noch viele Fragen offen“, mahnt Klaus Hugow, der die Beratungsstelle in Friedrichshain-Kreuzberg leitet. Im Übrigen betont er, dass schwierige Fälle auch jetzt schon in den Ferien Hilfe finden – etwa beim Jugendpsychiatrischen Dienst und den Familien- und Erziehungsberatungsstellen.

Dennoch begrüßt auch Hugow die Neuregelung generell. Er kann sich vorstellen, dass die Psychologen in den Ferien Akten abarbeiten oder mit den Familien Gespräche führen, die nicht verreist sind. Er selbst ist ohnehin auch in den Ferien des Öfteren vor Ort, um seine Dienststelle zu verwalten. Und er begrüßt auch die Gleichstellung der Schulpsychologen mit den Diplom-Psychologen in seinem Haus, die mangels Unterrichtsverpflichtung noch nie von der Ferienregelung der Lehrer profitieren konnten.

Ganz „in Sack und Tüten“ sind die verlässlichen Öffnungszeiten der Beratungsstellen allerdings noch nicht. Die GEW behält sich vor, ihren Mitgliedern zum Klageweg zu raten, weil das Landesschulamt die Mitbestimmungsrechte umgangen habe, die es nunmal gebe, wenn neue Dienstpläne erstellt würden, so GEW-Vorstandsmitglied Ilse Schaad. Überdies fragt sie, ob es mitten in den Ferien tatsächlich Beratungsbedarf gibt.

Für die Brandenburger ist das längst keine Frage mehr. Hier ist es auch bisher schon üblich, dass die schulpsychologischen Beratungsstellen in den Ferien geöffnet sind. Die dortigen Mitarbeiter haben nie von der Lehrer-Ferienregelung profitieren können, weil sie – anders als die Berliner Kollegen – keine Doppelqualifikation als Lehrer und Psychologen haben.

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