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Berlin: Botschafter des Versagens

Piotr Mordel und Adam Gusowski sind die bekanntesten Polen der Stadt. Über ihren Club haben sie nun ein Buch geschrieben.

Das Haus fällt auf zwischen all den sanierten Gebäuden mit den pastellfarbenen Fassaden in der Ackerstraße in Mitte. Es ist grau und morsch und von geheimnisvoller Schönheit. Vom Gehweg bis zu den Fenstern im ersten Stock rankt sich Efeu. So dicht, dass der Schriftzug über dem Eingang fast verdeckt ist. Man muss schon genau hingucken, um ihn zu erkennen. „Club der polnischen Versager“ steht in schwarzen Buchstaben über den bodentiefen Fenstern. Darunter etwas kleiner für die Landsleute: „Klub Polskich Nieudacznikow“.

Die Tür öffnet sich und Piotr Mordel, 51, tritt auf den Bürgersteig, um kurz frische Luft zu schnappen. Am Abend zuvor fand eine Party im Club statt und nun ist er mit seinem Mitstreiter Adam Gusowski beschäftigt, das Innere wieder herzurichten. Leere Flaschen wegzuräumen, Paletten mit Gläsern in die Ecke zu rücken. In wenigen Stunden steht eine Filmvorführung auf dem Programm. Bis dahin muss der spärlich eingerichtete Raum wieder ordentlich aussehen, damit sich die Besucher wohlfühlen. Schließlich ist der Club für Piotr Mordel und Adam Gusowski eine Art „verlängertes Wohnzimmer“.

Dieses Wohnzimmer gibt es seit mittlerweile elf Jahren. Darüber, wie es entstanden ist, haben Mordel und Gusowski nun ein Buch geschrieben. Es heißt, logisch!, „Club der polnischen Versager“, und am heutigen Samstag stellen sie es in ihrem Laden vor. Es geht darin jedoch nicht nur um die Geschichte des Clubs, sondern auch um das Verhältnis zwischen Polen und Deutschen. Um Klischees und Missverständnisse, um Absurdes und Ernüchterndes. Um deutsche Katzen und polnische Handwerker. Um trostlose Einbürgerungsrituale und kulinarische Gemeinsamkeiten. Kurzum: Um all das, was Mordel und Gusowski seit ihrer Ankunft in Deutschland 1988 erlebt haben.

„Die Idee, unsere Arbeit zu dokumentieren, stand schon länger im Raum“, erzählt der 39-jährige Adam Gusowski, nachdem er an einem langen Holztisch neben dem Eingang Platz genommen hat. „Wir beobachten die deutsche Gesellschaft aus unserer Perspektive ja schon seit Jahren ziemlich intensiv, und das spiegelt sich auch in dem wider, was wir hier machen.“ Anfangs sollte der Laden ein Treffpunkt für Polen in Berlin werden. „Mit polnischen Zeitungen und tiefgründigen Diskussionen. Eine Art Herren-Salon“, sagt Piotr Mordel. Aber dann hätten die beiden festgestellt, dass sie bereits genug Polen kannten und eher daran interessiert waren, sich mit anderen Menschen auszutauschen. Deswegen veranstalteten sie Partys, Theatervorführungen, Kinoabende. „Dadurch lockten wir Leute, die normalerweise nie gekommen wären“, sagt Gusowski. Einheimische wie Touristen, Alteingesessene wie Neuankömmlinge und Durchreisende: Sie alle sind bei Gusowski und Mordel willkommen.

Der Club sei eine Art Dietrich, sagt Adam Gusowski. „Er öffnet uns Türen und ermöglicht uns einen Austausch mit der Gesellschaft.“ Mittlerweile ist der Club eine Institution, die über die Grenzen der Stadt hinaus bekannt ist. Mit ihrer satirischen „Leutnant-Show“ gastieren Mordel und Gusowski auch in anderen Städten. Heimliche Botschafter ihres Landes wollen sie dennoch nicht sein. „Wer uns in dieser Rolle sehen will, wird schnell merken, dass wir keine guten Repräsentanten sind“, sagt Piotr Mordel. Gerade von polnischer Seite habe es viele Enttäuschungen darüber gegeben, dass er und Gusowski sich nicht vereinnahmen lassen wollten. „Wir können zum Beispiel nicht reinen Gewissens behaupten, die polnische Küche sei die beste. Es fehlt einfach an Zutaten, da sind wir ganz realistisch.“

Den großen Zuspruch zu ihrem Club erklären sich die Betreiber ganz einfach: Sich zum Versagen zu bekennen, habe etwas Therapeutisches. „Dadurch verinnerlicht man eine gewisse Leichtigkeit“, sagt Adam Gusowski. Kann denn heute von Versagen überhaupt noch die Rede sein? Immerhin gibt es den Club, und nun auch das Buch. Doch Gusowski gibt sich bescheiden und behauptet: „Das Scheitern begleitet uns immer noch. Wenn jemand elf Jahre lang Energie in eine Sache investiert, davon aber nicht leben kann, ist er nicht gerade erfolgreich.“ So viel Koketterie passt natürlich gut zum Image. Unerwähnt bleiben dabei die Arbeiten fürs Radio und Fernsehen.

Dennoch gab es einen Punkt, an dem das Scheitern tatsächlich greifbar war. Vor fünf Jahren verließ der Club seinen alten Standort in der Torstraße und fand Zuflucht im alternativen Wohn- und Kulturprojekt Schokoladen. Dem drohte zu Beginn dieses Jahres die Zwangsräumung, weil der Eigentümer das Gebäude sanieren lassen wollte. Erst durch die Vermittlung eines Ersatzgrundstücks konnte der Schokoladen gerettet werden. Und mit ihm der Club der polnischen Versager. „Einen zweiten Umzug“, sagt Piotr Mordel, „hätten wir nicht überlebt. Das wäre das Ende gewesen.“ Die Solidarität, die sie vom Schokoladen und dessen Anhängern erfahren hätten, gebe ihnen noch heute viel Kraft. „Dass wir bleiben dürfen, ist für uns eine Verpflichtung, hier unabhängige Kultur zu betreiben.“

Club der polnischen Versager, Ackerstraße 168, Mitte, Beginn: 20 Uhr. Der Eintritt ist frei. Das Buch „Der Club der polnischen Versager“ ist im Rowohlt Taschenbuch Verlag erschienen, 221 Seiten, 8,99 €.

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