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Brennendes Auto

© Thomas Schröder

Brandanschläge auf Autos: Leicht brennbare Luxuskarossen im Kiez

Immer wieder brennen Autos in den Szenekiezen. Fahrzeuge der Marken Mercedes und Porsche trifft es am häufigsten. Die Polizei hat praktisch keine Anhaltspunkte. Eine Spurensuche in den Kiezen.

Ein Fiepsen ertönt, schon sitzt er im Auto, lässt den Motor aufbrausen, will aus der Parklücke mit seinem silbergrauen SLK-Mercedes. Der Fahrer – heller Wollmantel, darüber einen Schal geschlungen – gehört zur höchsten Risikogruppe. „Das ist mir egal, sch… egal. Die Versicherung zahlt.“ Er sagt noch, was er so macht. „Strom.“ Strom? „Stromhändler.“ Ach so, Strombörse und so. Er nickt, lächelt und gibt Gas.

Keine 20 Meter von dem schicken SLK entfernt haben sie schon einmal einen Porsche angezündet. Einfach so. Ende Januar traf es einen Prominenten. Der Wagen gehörte Ralf Regitz, dem Mitveranstalter der Love Parade. Sein Wagen stand in der Zehdenicker Straße, Mitte. In einer Gegend, in die erfolgreiche Leute jetzt gerne ziehen. Die Bürgersteige sind holprig, die Hauswände mit Graffiti besprüht, Plakate rufen zum „Roten Abend“. Makler nennen sich selbstironisch „Immobilienhai.de“, hinter kriegsversehrten Fassaden sitzen Menschen an gläsernen Schreibtischen vor ihren Laptops.

Zwischen Umsturz und Kommerz

Die neuen Bewohner im Kiez lieben diese Spannung zwischen Umsturz und Kommerz, zwischen bröckelnden Steinen und glänzendem Lack, zwischen Mangel und Überfluss. Deshalb sind sie hierher gezogen und nicht nach Zehlendorf. Dort müssten sie um ihre teuren Autos keine Angst haben.

Angezündet werden Limousinen vorwiegend in den attraktiven Altbauvierteln von Prenzlauer Berg, Mitte, Friedrichshain und Kreuzberg. Uwe Frers, der in Kreuzberg eine Internet-Firma betreibt, weist das auf seiner Internetseite www.brennende-autos.de exakt nach. Jeder Anschlagsort ist auf einer Karte verzeichnet. Im Osten verdichten sich die Marker. Auf der Seite findet sich auch eine Statistik der betroffenen Automarken. Ganz oben steht Mercedes mit derzeit 53 verbrannten Fahrzeugen. Frers betreibt die Seite als Hobby. Angefangen hat er damit im Mai 2007, als in der Nähe seiner Firma ein Auto brannte, ein teurer Audi-Geländewagen. Daneben stand ein alter Golf, auch dieser war verbrannt, dazu verkohlte ein Motorroller. Der gehörte einem weinenden 16-jährigen Jungen. Frers war schockiert und wollte etwas tun.

Die Polizei ist machtlos

Die Polizei ist machtlos und gibt die immer gleiche Auskunft. Nein, noch keine Verdächtigen. Es werde aber ermittelt. 25 Anschläge im Januar, 73 im Jahr 2008. Weil das Feuer meist auch auf benachbarte Autos übergreift, liegt die Zahl zerstörter Fahrzeuge deutlich höher. In einem Bekennerschreiben hat eine linksradikale Gruppe unter dem Motto „Brennende Nobelkarossen versus Gentrifizierung“ die Verantwortung für insgesamt acht Brandanschläge übernommen. Mit dem Abfackeln von hochwertigen Autos wollen sie Investoren und ihre zahlungskräftigen Kunden aus den Szenekiezen vertreiben.

Angezündet wurden auch Umzugswagen, Carsharing-Fahrzeuge der Bahn oder Lieferwagen der Post-Tochter DHL. Das ist dann die Abstrafung für globalen Konzern-Kapitalismus. Wenn weniger begehrte Marken in Lichtenberg oder Treptow brennen, gehören die Autos oft Neonazis. In vielen Fällen lässt sich beim besten Willen kein Motiv erkennen. Und manche Zündelei hat ganz andere Hintergründe, so wie jetzt am Samstagabend, als es in einer Tiefgarage in Neukölln brannte. Unbekannte hatten dort Gerümpel angezündet, Autos wurden bei diesem Brand aber nicht beschädigt.

Ein "emotionaler Schaden"

In der Zehdenicker Straße in Mitte lebt auch Tillmann Wagner. Er ist Architekt. Mit dem Risiko, das eigene Auto in Flammen zu sehen, könne er leben, sagt Wagner, ein offenherziger, sorgfältig gekleideter Mann. Er fährt Golf, befindet sich also in einer unteren Risikogruppe. Vor ein paar Jahren fand er morgens trotzdem eine große Beule mitten auf der Kühlerhaube. „Da ist wohl einer mit Springerstiefeln drauf“, erzählt er und zuckt mit den Schultern. „Chaoten – das gehört hier eben dazu.“ Wagner verfolgt die Veredelung der Wohnquartiere selber mit Skepsis. „Das sollte man mal lassen, sonst haben wir bald nur noch gated communities“. Er plant gerade die Sanierung einer Wohnung in der Ackerstraße – im Auftrag der Mieterin, die sich vom neuen Eigentümer kein protziges Marmorbad vorsetzen lassen will. Gleich neben Wagners denkmalgeschützt unsaniertem Haus entstehen die „Choriner Höfe“. Das Werbeplakat an einer Brandmauer verweist auf einen „Showroom“, in dem „the Fine Art of Living“ zu erleben sei.

Harald-Fritz Goile aus Friedrichshain ist auch im Immobiliengeschäft. „Ich saniere alte Häuser und vermiete sie dann.“ Dass irgendjemand etwas dagegen haben könnte, findet er absurd. Vor einer Woche brannte sein weißer Porsche an der Eldenaer Straße. Seine Frau, gerade Mutter geworden, erlitt einen Zusammenbruch. Goile spricht von einem „emotionalen Schaden“, der dem materiellen mindestens gleichkomme. Insgeheim wünscht er sich, dem Brandstifter mal gegenüber zu stehen. „Was wollen diese Leute denn eigentlich?“ Er nehme die Sache nicht persönlich, sagt Goile. Schon gar nicht werde er wegziehen aus Friedrichshain, eine Garage mieten oder auf ein großes Auto verzichten. „Ich werde weiter Autos in meiner Klasse fahren, vielleicht einen Mercedes- oder BMW-Geländewagen.“

Dem nächsten Inferno entgegendösen

Das DAS-Versicherungsbüro von Dietmar Stange ist warm und hell, ein Hort der Korrektheit im wilden Friedrichshain. Stange parkt seinen blitzsauberen Audi A6 immer in Sichtweite. Nicht wegen der Feuergefahr, sondern wegen der verlotterten Umgangsformen im Straßenverkehr. „Hier wird rigoros geparkt, mit Anrumpsen.“ Abends fährt er sein Auto zurück an den sicheren Müggelsee, wo er wohnt. Seinen Neuwagen-Kunden empfiehlt er das Rewe-Parkhaus in der Nähe. Oder den Umstieg auf einen Gebrauchten.

In den dunklen Nebenstraßen dösen die Karossen mit Kennzeichen aus Frankfurt, Main-Taunus oder München dem nächsten Inferno entgegen. Der Mercedes-Kombi in der Dirschauer Straße kommt aus OVP – Ostvorpommern. Sein Besitzer – Kapuzenpulli, darüber eine Windjacke – wirkt etwas steifgefroren und linksorientiert. Er müsse seine Kinder jede Woche 200 Kilometer durch die Gegend fahren – „geteiltes Sorgerecht“, deshalb habe er den alten Ford Focus gegen einen zuverlässigen Mercedes getauscht, obwohl er das Brandrisiko kennt. Er hofft auf die mildernde Wirkung zweier Kindersitze im Fond. Außerdem parkt er sein Auto nie auf unbebauten Grundstücken. „Dort fackeln sie eher was ab.“

Mercedesfahrer gleich Bonze, diese Gleichung stimme eben nicht. „Ein Auto mit der Ideologie eines Menschen zu verbinden. Sowas machen doch nur Idioten“, sagt der Mann aus OVP.

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