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Brandstiftung: Meist war der Tatort auch der Wohnort

Die Statistik spektakulärer Brände in Berlin zeigt: Die Zündler lebten im Haus ihres Verbrechens. Jeder vierte ist psychisch krank.

Gibt es übereinstimmende Motive, die Zündler zu ihrer Tat treiben? Laut Kriminalstatistik ist jeder vierte Täter psychisch krank, viele sind wegen Sexualdelikten aufgefallen. Das Gros, so die Erfahrung der Kripo, ist männlich, jung, meist allein lebend und alkoholabhängig. 90 Prozent zündeln in direkter Nachbarschaft oder im eigenen Haus. Angezündet, sagen Brandermittler, werde, was gerade verfügbar ist. Das sind häufig Kinderwagen, die nachts im Hausflur oder Treppenhaus abgestellt werden, oder der Papiermülleimer unter den Briefkästen.

Albert B., bekannt geworden als „Feuerteufel von Kreuzberg“, gilt als der Prototyp des Zündlers. 1994 hatte er im eigenen Wohnhaus Brandbeschleuniger vor einer Nachbarwohnung ausgekippt und angezündet. Damals starben drei Menschen: ein Vater und zwei Kinder. Albert B. wurde verurteilt, sitzt noch heute in der JVA Tegel.

Auch der Verursacher der größten Berliner Brandkatastrophe der letzten 50 Jahre stammt aus dem Haus, in dem das Feuer gelegt wurde: 2005 starben neun Menschen, weil ein Zwölfjähriger in der Ufnaustraße in Moabit im Treppenhaus einen Kinderwagen angezündet hatte – „aus Langeweile“, wie das strafunmündige Kind später gestand.

Vor zwei Jahren brannte es gleich mehrfach in einem Haus am Michael-Bohnen-Ring nahe der Neuköllner Sonnenallee. Auch dort wurde als Täter ein Hausbewohner ermittelt, ein psychisch gestörter 25-Jähriger. Das Haus wurde schließlich intensiv observiert, der Mann auf frischer Tat gestellt.

Viele Täter aber werden nie gefasst. Vor zwei Jahren brannte es mehrfach in einem Haus in der Moabiter Huttenstraße, dabei starb eine Frau. Die Serie endete so plötzlich, wie sie begonnen hatte, die Hintergründe wurden nie ermittelt. Auch die beiden Brandserien in Hellersdorf, die im vergangenen Jahr Schlagzeilen gemacht hatten, sind nicht gelöst. Unklar ist, ob es eine Verbindung zu den beiden parallelen Serien des zweiten Halbjahres 2010 gibt. Ein Täter hatte in Häusern Kellerverschläge oder Kinderwagen angezündet, ein zweiter Müllcontainer auf Straßen und in Höfen. Trotz intensiver nächtlicher Polizeipräsenz wurde niemand gefasst.

Etwa 20 Mal am Tag rückt die Feuerwehr in Berlin zu einem Brand aus, 2009 waren es genau 7610 Einsätze. Experten schätzen, dass jedes dritte Feuer vorsätzlich gelegt wurde. Der pensionierte Berliner Brandermittler Werner Breitfeld hatte in einer Langzeitstatistik der 80er und 90er Jahre festgestellt, dass Serientäter für 60 Prozent aller vorsätzlichen Brandstiftungen verantwortlich sind. Zu seiner Zeit waren der Polizei 850 Tatverdächtige namentlich bekannt, die Dunkelziffer soll viermal so hoch gewesen sein. Und noch etwas hat Breitfeld herausgefunden: 70 Prozent der ermittelten Täter waren am Tatort aufgefallen – durch das Melden des Brandes oder durch besonders eifriges Helfen. Auch hier erwies sich der Kreuzberger Feuerteufel Albert B. als prototypisch. Der damals 44-Jährige hatte in einem Fernsehinterview am Brandort ein Detail genannt, das nur der Täter wissen konnte: Als Brandbeschleuniger sei ein Diesel-Öl-Gemisch verschüttet worden. Kurz darauf wurde er festgenommen. Als Anfang Februar dieses Jahres in der JVA Tegel die Nachbarzelle von B. ausbrannte, vermuteten die Ermittler eine neue Tat. Die Ursache allerdings war eine andere: ein defektes Verlängerungskabel.

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