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Berlin: Brecht und Brandt, Luise und Lola

Unter den Linden hängen bald große Porträts

Die Straße Unter den Linden bekommt Besuch: Prominente, die enge Beziehungen zu dieser Stadt hatten und von sich behaupten dürfen „Ich bin ein Berliner!“, werden von jungen Künstlern überlebensgroß auf gelbe Säulen gemalt, die am Haus Nummer 10 stehen, um ein hässliches Baugerüst zu verdecken. Zu den Auserwählten gehören der Große Kurfürst, die Königin Luise, Friedrich II., Humboldt, Heine, Brandt, Brecht, Marx und die rennende Lola, Franka Potente. „Es soll ein kleiner Spaß sein, unsere Gäste informieren und animieren, historische Fährten aufzunehmen“, sagt Wieland Giebel, dem die Idee zu dieser Denkmal-Malerei kam – natürlich auch als Blickfang für seine Buchhandlung „Berlin Story“ mit der wohl umfangreichsten Darbietung von Gedrucktem, Geformtem und Gefilmtem über Berlin.

Das Sortiment überschaut selbst der Chef kaum. In den Räumen des früheren Bulgarischen Kulturzentrums stapeln sich allein 2500 verschiedene Berlin-Titel, davon 250 in Englisch, und um sie herum gruppiert sich Lokalpatriotisches in allen Schattierungen zwischen Kunst und Kitsch: alte Stadtpläne, das Brandenburger Tor zum Mitnehmen, Buddys in allen Größen („Ein Renner!“) , 30 verschiedene Berlin-T-Shirts, „Jipsköppe“, wie der Berliner sagt, vom großen Friedrich, von Goethe, Marx, dem Kurfürsten sowie die eigens für die Berlin-Story vervielfältigte Prinzessinnengruppe von Schadow mit Luise und Friederike.

20 Angestellte kennen sich in dem lokalen Sammelsurium bestens aus – Wieland Giebel erwartet von seinem Verkaufspersonal totale Lokalkenntnis: Zweimal monatlich müssen die Mitarbeiter zur Stärkung ihres Selbstbewusstseins Stadtführungen machen und neue Bücher vorstellen; nichts schreckt den Buchhändler und Verleger mehr als desinteressierte, kenntnislose Angestellte. Der Boss geht natürlich mit gutem Beispiel voran: Den ganzen Tag über läuft der von Giebel gemachte und kommentierte Film „The Making of Berlin“, den es nun auch auf DVD in acht Sprachen gibt.

Um die Neugier der Leute, die ins Geschäft kommen, vollends zu befriedigen, hat Giebel die Etage über dem Laden zu einer Ausstellungshalle gemacht, eine Kaffeemaschine installiert und das Modell der Innenstadt samt Schloss dazu gestellt. Die Flötentöne des Großen Friedrich begleiten den Gast, wenn er in diesem Raum auf großen Bildtafeln mehr zur wechselvollen Geschichte der „Linden“ erfährt. Das Haus, in dem er sich gerade befindet, ist ein Teil dieser Historie. Denn hier stehen wir im einstigen Luxushotel de Rome: 200 Zimmer, ein Restaurant und ein Festsaal, in dem von 1879 bis 1886 Berlins Pressebälle zelebriert wurden. „Die Geschichte mit Kaiser Wilhelm und der Badewanne, die er sich einmal in der Woche aus dem Hotel kommen ließ, soll nicht ganz sicher verbürgt sein, es spricht aber alles dafür, denn im Schloss gab es kein Bad“, sagt Wieland Giebel. Ganz sicher ist dagegen die Story mit dem Einbruch in den Tresor der Verkehrskasse der Deutschen Reichsbahn, die sich nach dem Krieg hier befand: 1951 erbeuteten Walter Pannewitz und seine Gang 1,8 Millionen Ost- und fast 200000 West-Mark, im Film „Der Bruch“ wurde das Millionending mit Götz George und Otto Sander auf die Leinwand gebracht. Leider wiederholte sich solch Krimi im kleineren Format am gleichen Ort in unseren Tagen: Aus einer Ladenecke wurde ein Tresor gestohlen, in dem sich wichtige Teile für ein Buch befanden, und aus einem Büro verschwand ein Computer. Im Tagesspiegel hatte Giebel nach dem Raub eine Belohnung für Hinweise ausgesetzt.

Den 54-Jährigen, gesegnet mit der freundlichen Ruhe eines weltläufigen Globetrotters, kann so etwas nicht aus der Fassung bringen. Der Mann war: Sänger, Theaterleiter, Verlagsgründer („Elefantenpress“), Projektmanager, Betriebsrat einer Fernsehfabrik, Entwicklungshelfer in Ruanda, taz-Redakteur, Cheflektor, Autor von Stadtführern und Filmproduzent. Nebenher spricht er fünf Sprachen – und scheint mit dem Super-Buch-Souvenir-Video-und-Bilder-Laden den Job seines Lebens gefunden zu haben. „Es gibt weltweit keine Buchhandlung, die sich nur mit dem eigenen Gemeinwesen beschäftigt“, sagt er stolz, „aber Berlin gibt das her.“ Dazu bedürfe es einer tiefen Verwurzelung in seiner Stadt, auch wenn seine Wiege im thüringischen Schmalkalden stand. Und wenn man in diesem Geschäft eigentlich alles richtig macht, dann funktioniert das nach einem Konzept, „von dem man leben und durch das man glücklich werden kann“.

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