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Baumkuchen. Auch eine halbflüssige Schokoladenleckerei gab es bei der Feier in der Neue Nationalgalerie.

© Ute Zscharnt/Chipperfield Architects

Britain in Berlin: Im Wald der Freuden

Sir David Chipperfield feierte in der Neuen Nationalgalerie, bevor dort die Renovierung beginnt. In seiner Installation „Sticks and Stones“ gab es ein großes Fest unter dem Motto „Britain in Berlin“.

Drei lange, weiß gedeckte Tafeln mit flackernden Windlichtern inmitten einer Installation aus 144 Baumstämmen. Ringsum halten Glaswände die kalte Winternacht fern. Berlin wird immer wieder zu einer Stadt der überraschend schönen, ungewohnten und ungewöhnlichen Anblicke, und das verdankt sie europäischem Input. Eigentlich wollte Sir David Chipperfield nur noch mal einen Abend mit Freunden und Familie in der Neuen Nationalgalerie verbringen. Schließlich hatte er in der hölzernen Baumlandschaft „Sticks and Stones“, die noch bis Ende des Jahres einen eigentümlich natürlichen Kontrast setzt zum renovierungsbedürftigen Glasbau Mies van der Rohes, eigens eine Lichtung gelassen für Diskussionen und Feste. Aber dann schlossen er und seine Frau Evelyn sich zusammen mit dem britischen Botschafter Simon McDonald und dessen Frau Olivia, und so wurden es 150 Gäste, die am Samstagabend dort zusammenkamen, darunter Wim Wenders und Frau Donata, Arend und Brigitte Oetker, Stiftungsgründerin Corinne Flick, der Fotograf Wolfgang Tillmanns, der Chef des Naturkundemuseums Johannes Vogel und die wegen ihrer jüngsten Verdienste um die deutsch-britische Freundschaft in den Reden immer wieder hoch gelobte Staatsministerin Monika Grütters. Selbst die Labour-Abgeordnete Baroness Tessa Blackstone fand lauter gute Worte für das europäische Engagement von Grütters und Angela Merkel. Eine ihrer Fragen an den Abend lautete: „Wie kann Kultur genutzt werden, um ein größeres Verständnis auch für Europa zu schaffen?“

Das kurzfristig organisierte Fest unter dem Titel „Britain in Berlin“ ging nicht ohne Reden ab, natürlich. „Sorry, wir sind schließlich in Deutschland“, sagte Chipperfield, blieb aber nicht der Einzige, der sich lustig machte über die deutsche Leidenschaft für lange Reden. Grütters’ Rede bei der Eröffnung der Ausstellung über die Deutschen im Britischen Museum habe ihn freilich erst dazu inspiriert, britische Flagge zu zeigen in Berlin. „Wir hoffen, wir können auf Großbritannien in Europa zählen“, antwortete die Ministerin. „Bitte genießen Sie das Gebäude“, forderte der Architekt später seine Gäste vor dem Dinner auf. Es ging ihm und seinen Leuten aber auch um ein Familienerlebnis und also ums Essen. Zum Team des Architekten gehören in Berlin 100 Leute, die Projekte auch anderswo in der Welt betreuen. Sie alle lieben ihren Kantinenchef Gary Hoopengardner, wie Eva Schad erzählte, die den Berliner Zweig der Chipperfield-Welt einst mit aufgebaut hat. Hoopengardner hatte auch das Museumsmenü zubereitet, Hering mit Variationen von der Roten Bete, Ochsenbäckchen mit Gemüse und halbflüssigen Schokoladenkuchen.

Zwischendurch gab es viele Wortmeldungen im Rahmen einer offenen Diskussion über die Tafeln hinweg und sogar vorbildlich kurze Reden, wie die des Botschafters, der weniger bekannte Schicksalsdaten aus der deutsch-britischen Geschichte mitgebracht hatte. 1470 entdeckte der Brite William Caxton in Deutschland die Buchdruckkunst Gutenbergs, und 1771 zog Goethe erste Lehren aus der Lektüre der Werke Shakespeares.

Europa spielte eine Rolle nicht nur in den Reden, sondern auch in den Tischgesprächen. Sir David Chipperfield hat neben seinem Haus in Berlin auch noch eine Wohnung in London. Der spanische Botschafter Juan-Pablo Garcia Berdoy Cerezo zeigte sich stolz auf das Engagement des Architekten in seinem Heimatland. In Galizien besitze er auch ein Sommerhaus, berichtete er lächelnd. Weihnachten, erzählten Mitarbeiter, verbringt der Architekt schon fast traditionell in Berlin. Sie waren etwas besorgt, dass sie den allerletzten Akt vor der Renovierung womöglich noch verpassen könnten. Wenn die Fichtenstämme abgebaut sind, spielt die Gruppe Kraftwerk. Leider habe man den Vorverkauf verschlafen, erzählte eine Architektin aus dem Team. Und nun gibt es keine Karten mehr.

Über die Baumstämme wurde viel reflektiert. „Ein bisschen provozierend, aber ich wollte Mies mit Respekt begegnen“, sagte Chipperfield selbst. Später sollen die Stämme zu Tischen verarbeitet werden. Am liebsten hätte der Gastgeber noch mehr Bäume gehabt. „Wir hätten alles zubauen sollen. Auf die Lichtung hätte man verzichten können“, bemerkte er im Laufe des langen, geistreichen Abends. „Die Bäume hätten beim Essen gar nicht gestört.“ Aber dann hätte man vielleicht den Wald vor lauter Freuden nicht gesehen. Elisabeth Binder

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