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Update

Brutale Attacke in Wedding: Hells Angels attackieren vorbeifahrenden Wagen

Stiche, Schüsse, Schläge: Gewalt der Hells Angels greift auf den Kiez im Norden Berlins über. Ein Italiener und sein Sohn gerieten Samstag Nacht in das Visier der Hells Angels.

Mit geröteten Augen blinzeln die Männer in die Sonne, in der Hand ein Bier. Am Boden liegen leere Flaschen, ein Hund wedelt mit dem Schwanz, eine Frau fordert eine Zigarette: „Eine einzige Kippe“, raunt sie einem Grauhaarigen in Jeansjacke zu. Sonntagvormittag am Franz-Neumann-Platz – 50 Meter neben dem berüchtigtsten Rockertreff der Stadt. „Mit denen haben wir aber keinen Ärger“, sagt der Grauhaarige. Die Frau ergänzt: „Die interessieren sich ja auch nicht für Leute wie uns.“

Die – damit sind die drei Dutzend Männer des Charters „Berlin City“ der Hells Angels gemeint. Sie sind zwischen 20 und 45 Jahre alt und werden von Kadir P. geführt. Der 28-jährige Berliner Türke hat sich mit Getreuen erst 2010 den Hells Angels angeschlossen. Zuvor gehörte die Truppe zu den Erzrivalen der Bandidos, der anderen internationalen Bruderschaft, die mit den Hells Angels um die Hoheit im Milieu streitet.

Das Klubhaus, ein zweigeschossiger Bau neben einer Autowerkstatt in der Residenzstraße in Reinickendorf, ist an diesem Sonntag offenbar zu. Am Sonnabend war das anders: Um 3 Uhr nachts sollen Rocker davor gesessen haben. Ein Pizzabäcker und sein 17 Jahre alter Sohn fuhren in einem Auto vorbei. Die Rocker sollen daraufhin in drei Autos gestiegen und den beiden hinterhergefahren sein. An der Osloer Straße wurde der Pizzabäcker ausgebremst, die Hells Angels schlugen mit Stangen auf den Wagen der beiden Verfolgten ein. Ein Rocker soll auch ein Messer in der Hand gehalten haben. Warum sie den Vater und seinen Sohn angegriffen haben, ist unklar. In einschlägigen Kreisen verkehren die beiden nach bisherigen Erkenntnissen nicht. Die Polizei ermittelt wegen gefährlicher Körperverletzung. Nicht zum ersten Mal. Voriges Jahr stürmte das Spezialeinsatzkommando der Polizei mehrfach das Klubhaus. Gefunden wurden Schlagstöcke, Messer, Anabolika. Immer wieder fallen im Kiez auch Schüsse. Im Januar wurde auf das Vereinsheim der Bandidos in der nahen Provinzstraße geschossen. Wenig später wird in der Residenzstraße ein 54-jähriger Bandido niedergestochen.

Offiziell war zwischen Hells Angels und Bandidos 2010 Frieden geschlossen worden, nachdem es bundesweit Tote gegeben hatte. Doch gerade P.s Charter gerät regelmäßig mit anderen Rockern aneinander. Und nun offenbar nicht mehr nur das. Der Überfall vom Sonnabend könnte aus Lust an der Gewalt erfolgt sein, aus mangelnder Impulskontrolle, die einige in der Justiz den Männer aus der Residenzstraße diagnostizieren. Seit er zwölf Jahre alt ist, beschäftigt Kadir P. die Behörden. Mehr als 40 Mal ist gegen den 28-Jährigen ermittelt worden, immer wieder wegen Körperverletzung, auch mal wegen versuchten Totschlags. P. selbst war für eine Stellungnahme bislang nicht zu erreichen.

In der Tankstelle an der Ecke kennt man die Rocker. „Die sind immer nett – und die zahlen wenigstens“, erzählt die Kassiererin. Tankbetrug komme hier öfter vor. Ein Mann beim Brötchenkauf sagt, ihn störten die Angels nicht so sehr, aber offenbar viele andere: „Dauernd ist Polizei da.“ Ermittlern zufolge mischen die Rocker bei Hehlerei, Schutzgelderpressung, Drogen- und Waffenhandel mit. Kein Geheimnis ist, dass Rocker oft im Nachtleben tätig sind. Als Türsteher können sie bestimmen, welche Geschäfte in Diskos und Bars stattfinden.

Ranghohe Hells Angels haben sich bislang diplomatisch über die Reinickendorfer geäußert: Jedes Charter sei autonom, man rede sich nicht gegenseitig rein. Was alle Rocker interessieren dürfte, Innensenator Frank Henkel (CDU) prüft ein Verbot einzelner Dependancen. Und dort, wo die Christdemokraten regieren, wurden schon welche durchgesetzt. Zuletzt ließ der hessische Innenminister in Frankfurt am Main im vergangenen September gleich zwei Angels-Ableger auflösen. „Tja, wenn man so einen Wirbel macht“, sagt ausgerechnet der Biertrinker am Franz-Neumann-Platz, „muss man mit sowas wohl leben.“

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