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Berlin: Buch mit Kerosingeruch

In einer Linienmaschine stellte Susanne Fengler ihr neues Buch vor – die Handlung spielt im Vielfliegermilieu

Frei sein, Global Player sein, moderner Nomade, Teil der fliegenden Arbeitselite – darum geht’s an diesem Morgen um acht auf dem Flughafen Tegel. Beschlipste Laptopträger steigen in die Maschine nach Zürich. Und darunter mischt sich ein Journalistentrupp, behütet von Marketingmenschen einer Verlagsgruppe und einer Fluglinie.

Die überhaupt allererste Buchpräsentation über den Wolken ist angesetzt. Als PR-Gag und Milieustudie zugleich. Susanne Fenglers Roman „Heidiland“ spielt im Meilensammlermilieu, genauer gesagt unter Berlin-Zürich-Pendlern. Der Stammplatz der Romanheldin, Reihe 2 Platz F, ist allerdings besetzt: da hocken die ein halbes Jahr im Voraus buchenden, echten Schweiz-Pendler.

Die Schweiz ist das liebste Auswanderungsland deutscher Akademiker zwischen 20 und 40. Rund 20 000 Ärzte und Professoren, aber auch Handwerker oder Kellner haben allein 2006 dort angefangen zu arbeiten. Diese Gastarbeiterinvasion finden die Schweizer alles andere als toll. Kein Wunder, denn auch der urbanisierte Zürcher stammt letztlich vom misstrauischen Älpler ab, der nur äußerst ungern Fremde sein Bergdorf passieren lässt. Bei der Hauptfigur in „Heidiland“, die der Karriere wegen als Anästhesistin in einem Zürcher Krankenhaus anheuert, landet ausgekippter Müll auf der Fußmatte und ein Stein in der Stube.

Cool sein, Vielflieger, Spitzenverdiener, einmal nicht das Flugzeugfutter in sich hineinstopfen, keinen Tomatensaft bestellen, statt Sicherheitsfilm die Börsenwerte anschauen. Der Sitznachbar ist Schweizer. Sind die deutschen Einwanderer wirklich so unbeliebt? Er nickt. Sie gelten seit Nazizeiten als autoritär, laut, unangenehm. „Aber die Kleinkriminellen aus dem Kosovo sind bei uns auch nicht sehr angesehen.“ Das tröstet.

Unruhe kommt auf. Flugkapitän und der Geschäftsführer der Aufbau-Verlagsgruppe entschuldigen sich beim Vielfliegermilieu für die Störung. Da, wo sonst die Stewardess Speisen und Getränke anpreist, steht Susanne Fengler und liest ein Kapitel aus „Heidiland“ in die Bordsprechanlage.

Die Mittdreißigerin aus Mitte ist eine Autorin aus dem Bilderbuch: schlau, schön, sympathisch. Die promovierte Medienwissenschaftlerin hat bei Lee Strasberg in New York Schauspiel studiert, über ihren Job in der CDU-Wahlkampfzentrale ein fluffiges Buch geschrieben und als Uni-Dozentin in der Schweiz gearbeitet. Bevor sie Mutter wurde, war sie einige Jahre selbst beinharte Berlin-Zürich-Pendlerin.

Köpfe hinter Zeitungen, ungerührt hämmernde Finger auf Tastaturen und ein paar neugierig gereckte Hälse. Fengler gibt ihr Bestes, aber der Sound ist dünn und das Brummen der Maschine stärker. Die Marketingleute applaudieren begeistert. Das vorgelesene Kapitel handelt von den sozialen Kosten des Pendlerlebens, die die Romanfigur genauso unterschätzt wie den finanziellen Abrieb. Ihre Liebe zu einem ewigen Berliner Jurastudenten kommt in Turbulenzen. „Man verliert auf diesen Reisen was“, sagt Fengler, „eine Müdigkeit macht sich breit.“ Muss das Pendlerleben scheitern wie im Roman? „Ja, wenn es kein glückliches Ende durch die Entscheidung für einen Ort findet.“ Für viele ihrer Altersgruppe sei das zumindest für einige Jahre ihre normales Leben. Und die Geschichten, die man sich über Flugzeugausfälle oder Zugverspätungen erzählt, sozusagen ihre Geschichten aus dem Schützengraben. Die Romanheldin kehrt Zürich schließlich entnervt den Rücken und landet in Brandenburg. Ein Plädoyer für mehr Heimat? Auf jeden Fall dafür, sie wieder neu zu entdecken, meint Medienprofi Fengler: „Elsterwerda kann auch sexy sein.“

Zürich dagegen schockt erst mal: das Flughafenrollband funktioniert nicht, trotz Schweiz! Auch die Begrüßungsdelegation aus Punks und Säufern am Hauptbahnhof sieht wie zu Hause aus. Aber die Zürcher Altstadt mit ihren schönen Zunfthäusern und dem glitzernden Zürichsee atmet wohligen Wohlstand. Mit dem Dampfer geht's die berühmte Goldküste entlang, wo die Millionäre wohnen. Zu sehen ist keiner. In der Ferne stecken die Alpen die graumelierten Köpfe zusammen. Einfach nur noch ein Buch verschicken und hoffen, dass es rezensiert wird, reiche heute nicht mehr, sagt der Geschäftsführer vom Buchverlag. Der „Heidiland“-Ausflug sei auch ein Marketingtest. Abends um halb sieben landet das Flugzeug aus Zürich wieder in Tegel. Im Ohr klingen noch die Kuhglocken und Alphornklänge aus der Zürcher Flughafen-U-Bahn. Sie gibt sich schon Mühe die Schweiz, sogar für Deutsche. Falsche und echte Pendler strecken im Flughafengebäude erleichtert die steifen Beine aus. Frei, cool oder elitär sieht keiner aus.

Am 5. März um 20 Uhr stellt Susanne Fengler ihren Roman "Heidiland" im Münzsalon, Münzstraße 23, vor. Erschienen ist das Buch bei Kiepenheuer für 19,95 Euro.

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