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Berlin: Bühnenreifer Aufstand

In einer Woche stimmen die Wahlberechtigten in Charlottenburg-Wilmersdorf über die Zukunft der Ku’damm-Theater ab

Für den Kampf um das Theater und die Komödie am Kurfürstendamm war es ein passender Ort: Im urigen Restaurant Diener an der Grolmanstraße, das seit 90 Jahren als Künstlertreffpunkt gilt, rief der Verein „Rettet die Ku’damm-Bühnen“ am Freitag zur Teilnahme am Bürgerentscheid auf, den die Initiative um Otfried Laur vom Berliner Theaterclub durchgesetzt hat. Am Sonntag, dem 16. Januar, können die Wahlberechtigten in Charlottenburg-Wilmersdorf darüber abstimmen, ob der Bezirk alles für die Erhaltung der Boulevardtheater im Originalzustand tun soll. Deren Säle aus den 20er Jahren hatte der Theaterarchitekt Oskar Kaufmann für Max Reinhardt gebaut.

Der jahrelange Streit um die Ku’damm-Bühnen erreicht nun seinen Höhepunkt, nachdem es Sondersitzungen der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) und Demonstrationen des Rettungsvereins mit vielen Schauspielern und Prominenten gegeben hatte. Denn der irische Investor Ballymore will das Ku’damm-Karree nach Plänen des Architekten David Chipperfield für 500 Millionen Euro umgestalten. Die alten Theater würden abgerissen. Dafür erhielte Intendant Martin Woelffer eine neue Bühne mit 650 Plätzen in der dritten Etage und unten am Ku’damm einen „geräumigen Eingangsbereich mit Ticketverkauf“. Die BVV akzeptierte diese Lösung schließlich – wie auch Woelffer, der bereits Ende 2008 einen Kompromiss mit Ballymore geschlossen hatte.

Doch das nehmen Otfried Laur und seine Mitstreiter nicht hin. „Die Leute wollen keine Shoppingmall“, betonte der Schauspieler Hans-Jürgen Schatz, der Unterschriften für den Bürgerentscheid auf der Straße gesammelt hatte. Seiner Kollegin Edith Hancke graust es vor „noch mehr Kik-Textilmärkten“. Ähnlich sahen es auch die Schauspieler Jochen Busse und Klaus Sonnenschein.

Franziska Eichstädt-Bohlig, Stadtentwicklungsexpertin der Berliner Grünen, kritisierte die Landespolitik: Der Senat habe die Bühnen bereits Ende der 90er Jahre „zum Abschuss freigegeben“, als eine Schutzklausel gegen eine Millionenzahlung des damaligen Eigentümers aufgehoben worden sei. Außerdem bezweifelte die Politikerin, ob der von der Finanzkrise betroffene Investor überhaupt noch eine halbe Milliarde Euro investieren könne.

Laur gab zu, dass der Bürgerentscheid für den Bezirk und den Bauherren rechtlich nicht bindend sei – es gehe um den „mahnenden Zeigefinger“. In einem Wahljahr könnten Politiker den Bürgerwillen aber kaum ignorieren. Eine Zeitlang hatte auch die BVV die unveränderte Erhaltung der Bühnen verlangt. Später aber ließen sich Bezirkspolitiker umstimmen. Im Parterre würden die Theater den Eingang zur Einkaufspassage „blockieren“ und das Gesamtprojekt unwirtschaftlich machen, argumentierten Ballymore und Architekt Chipperfield. Zuletzt appellierten Intendant Woelffer und der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) an den Verein, die Abstimmung zu stoppen, da ein möglicher Rückzug des Investors „kontraproduktiv“ für die Theater wäre.

Für einen Erfolg des Entscheids müssen mindestens 15 Prozent der Wahlberechtigten in der City West – das entspricht 35 688 Menschen – teilnehmen und mehrheitlich zustimmen. Bisher gaben 2300 Bürger ihr Votum per Briefwahl ab. Schon jetzt hat auch ein Wahlamt im Rathaus Charlottenburg geöffnet (Raum 300, 8 bis 13 Uhr, Di. und Do. von 13 bis 18 Uhr). Cay Dobberke

Am Montag lädt die Industrie- und Handelskammer (IHK) Berlin zur Diskussion mit Intendant Martin Woelffer, Vertretern von Ballymore, des Architektenbüros Chipperfield, des Bühnen-Rettungsvereins und der AG City ein (16 bis 18 Uhr im Amerika-Haus, Hardenbergstraße 22-23). Am Dienstag folgt eine Diskussion der Kurfürstendamm Interessengemeinschaft (19 Uhr, Bristol Bar im Hotel Kempinski, Ku’damm 27). Dort wollen sich neben dem Verein und Ballymore auch Bezirkspolitiker äußern.

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