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Berlin: Bürger in die Pflicht!

Die Politik kann die Probleme der Stadt nicht alleine lösen

Von Hartmut Bäumer In Berlin wird jeder Vorschlag zur Beseitigung von Problemen konterkariert von Lobbyisten, die um Besitzstände fürchten. Daran hat die Karlsruher Entscheidung zur Haushaltsnotlage der Stadt nichts geändert. Stadtauf, stadtab wurde über die Folgen des Urteils diskutiert. Teils larmoyant, teils scheinbar selbstbewusst. Aber immer nach demselben Muster, das einen an der Bereitschaft zweifeln lässt, die Zukunft Berlins gemeinsam gestalten zu wollen. Die zivile Öffentlichkeit sieht sich bis heute wenig gefordert, die Probleme der Stadt als ihre eigenen, und nicht nur als Probleme der Politik zu begreifen.

Aber das wäre notwendig, denn weder die Regierungs- noch die Oppositionsparteien können die anstehenden Probleme alleine lösen. Sie sollten zugestehen, dass grundlegende Weichenstellungen nur gemeinsam mit der Gesellschaft, im offenen Dialog und in transparenter Politikumsetzung erreichbar sind. Die Ära eines Politikverständnisses geht zu Ende, das auf der Vorstellung aufbaut, alle wichtigen Entscheidungen könnten von der politischen Klasse autonom getroffen und umgesetzt werden. Diese Art der Politik erlaubte es bisher der Zivilgesellschaft – ja, legte es ihr geradezu nahe – sich abseits zu halten, Unangenehmes an die Politik zu delegieren, sich höchstens betroffen zu fühlen. Hier zwei Beispiele aus den öffentlichen Diskussionen der letzten Wochen:

Die einen machen das Wohl und Wehe Berlins von der Existenz dreier Opernhäuser abhängig. Die anderen glauben wohl, dass mit dem Einspareffekt durch die Schließung einer Oper der Haushalt zu sanieren sei. Beides sind eklatante Fehleinschätzungen. Interessanterweise kam niemand auf die Idee, den Blick einmal vom Staat – Bund oder Land – als Financier abzuwenden. Was spricht denn dagegen, nach amerikanischem Vorbild eine Oper als privat finanzierte Institution zu betreiben? Kann in Berlin nicht eine wohlhabende bürgerliche Schicht ihren Anteil an einer (im Wesentlichen von ihr) nachgefragten Kultureinrichtung selber tragen?

Zweites Beispiel: Die jahrelange Realitätsverdrängung gegenüber einer mangelnden Schulbildung und der Ausbildungsunfähigkeit eines Teils der Schüler, über deren Gewaltbereitschaft und gesellschaftliche Ignoranz. Was spricht gegen eine Patenschaft Zehlendorfer Bürgerinnen und Bürger mit Neuköllner Schulen, um vor Ort konkrete Hilfe bei der Betreuung und Nachhilfe zu leisten? Denkbar wären auch Partnerschaften großer Unternehmen mit Schulen, durchaus verknüpft mit Forderungen an notwendige Leistungsstandards.

Wenn wir in Zukunft weiter in einer Stadt leben wollen, die uns soziale wie persönliche Sicherheit und kulturelle Vielfalt garantiert, wird es eine neue Arbeitsteilung von Staat und Gesellschaft geben müssen. Berlin wird sich nur dann positiv entwickeln, wenn die jetzt schon vorhandenen Lücken durch die Bereitschaft geschlossen werden, mehr bürgerschaftliche Verantwortung zu übernehmen. Das wäre die beste Antwort auf das Karlsruher Urteil.

Hartmut Bäumer ist Unternehmensberater in Berlin, war vorher Arbeitsrichter, Regierungspräsident in Hessen, Mitglied der NRW-Regierungskommission „Zukunft des öffentlichen Dienstes“ und der Enquetekommission des Abgeordnetenhauses „Eine Zukunft für Berlin“.

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