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Berlin: Bürgerstiftung Berlin: Lesen für den guten Zweck

Eine Villa auf Schwanenwerder am Samstagmittag. Vom Wohnzimmerfenster aus geht der Blick über den Wannsee.

Eine Villa auf Schwanenwerder am Samstagmittag. Vom Wohnzimmerfenster aus geht der Blick über den Wannsee. Auf der anderen Seite des Wassers ist das Strandbad zu erkennen. Hierher, ins Haus von Freunden, haben Jörg Kastl und seine Frau Eva zu einer Lesung von Imo Moszkowicz eingeladen, mit dem sie befreundet sind. Moszkowicz, Schauspieler und Fernsehregisseur, trägt Texte jüdischer Schriftsteller vor, zum Gedenken an die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz am 27. Januar 1945. Er war selbst Häftling in Auschwitz. Jörg Kastl nutzt die Lesung im privaten Rahmen, um für sein Anliegen zu werben: Er sammelt Geld für soziale Projekte in der Stadt. Die Bürgerstiftung Berlin finanziert sie.

Vor anderthalb Jahren gehörte er zu den Mitbegründern der Stiftung. Eingeladen hat er Menschen, die schon zu Gunsten der Stiftung gespendet haben - oder solche, die er für potenzielle Spender hält. An der Garderobe erhalten sie Informationen über die Stiftung, denen ein Überweisungsformular beiliegt. 50 bis 60 Gäste sind erschienen, darunter auch György Konrád, Präsident der Akademie der Künste.

Auf die Idee zur Bürgerstiftung kamen Kastl, der in den achtziger Jahren Botschafter der Bundesrepublik in Moskau war, und seine Mitgründer nach einem Vortrag über ähnliche Stiftungen in den USA. Bürger müssen auch Verantwortung für die Gemeinschaft übernehmen, das ist der Grundgedanke. Inzwischen hat die Berliner Bürgerstiftung ein Kapital von 320 000 Mark. Die Zinserträge daraus fließen in die Projekte. Der größere Teil der Gelder aber kommt noch aus Spenden von Firmen oder Privatpersonen. So finanziert zum Beispiel die Herrhausen-Stiftung der Deutschen Bank eine Sozialarbeiterstelle für ein Projekt in Hellersdorf, mit dem Schulverweigerer wieder zum Schulbesuch bewegt werden sollen. Die Kinder, meist aus der sechsten oder siebten Klasse, werden gezielt angesprochen und gehen dann morgens zum Schulverweigerer-Projekt statt in die Schule. Ein Sozialarbeiter und ein Lehrer arbeiten mit ihnen zusammen individuelle Lehrpläne aus, um die entstandenen Lücken im Wissen der Schüler zu füllen. "Wir wollen sie dort abholen, wo sie sind", sagt Heike Kaack, die Schulrätin in Hellersdorf ist und das Projekt initiiert hat. Ziel ist, dass die Kinder möglichst bald wieder am Unterricht teilnehmen können. Das dauert meist sechs Monate bis ein Jahr, die Erfolgsquote beträgt knapp 70 Prozent. In diesem Jahr wird das Projekt auf eine Schule in Wilmersdorf ausgedehnt. Im letzten Jahr sind 80 000 Mark in Projekte der Bürgerstiftung geflossen.

Oft ist auch gar kein Geld nötig. Dann bringt die Stiftung nur die richtigen Leute zusammen: Eine Baufirma stellt einen Container für ein Jugendprojekt auf dem Alexanderplatz zur Verfügung, Freiwillige helfen in Moabit Jugendlichen bei den Hausaufgaben. Bis die Stiftung größer ist, will sie ihren Schwerpunkt auf die Jugendarbeit legen. Die Lesung am Samstag hat sich jedenfalls schon einmal gelohnt: "Eben hat mir ein Gast eine Spende von 20 000 Mark zugesagt", erzählt Kastl hinterher.

Die Bürgerstiftung Berlin ist auf der Suche nach Menschen, die Geld spenden oder Zeit in soziale Projekte investieren wollen.

Alex Krämer

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