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Berlin: „Bullen-Kalle“ und andere Pillen-Polizisten vor Gericht Prozess um Drogenaffäre bei der Berliner Schutzpolizei

Von Kerstin Gehrke In der Szene wurde Polizeimeister Karsten M. nur „Bullen-Kalle“ genannt.

Von Kerstin Gehrke

In der Szene wurde Polizeimeister Karsten M. nur „Bullen-Kalle“ genannt. Er soll sogar in Uniform und im Dienst bei einem seiner Drogenlieferanten vorgefahren sein. Der 34-jährige M. gilt als Hauptfigur in einer Affäre um Drogenhandel, Anabolika und Korruption innerhalb der Berliner Schutzpolizei. Ab heute muss er sich mit zwei Kollegen vor dem Landgericht wegen gewerbsmäßigen Handels mit Drogen sowie verschreibungspflichtigen Arzneien, Bestechlichkeit, Verrat von Polizeidaten und Unterschlagung verantworten. Außerdem sitzen ein Apotheker als Lieferant der Anabolika und drei mutmaßliche Dealer mit auf der Anklagebank.

Die Fahnder kamen den dealenden Polizisten bei Ermittlungen gegen einen mutmaßlichen Boss im Rotlichtmilieu auf die Spur. Sie hatten dessen Telefonate abgehört und mitverfolgt, wie sich „Bullenkalle“ mit dem Mann über Drogenlieferungen verständigte. Das war im Herbst 2000. Schnell weitete sich der Kreis der verdächtigen Beamten aus. Im März vergangenen Jahres wurden bei einer breit angelegten Razzia 34 Orte durchsucht – vorwiegend Wohnungen, aber auch Polizeidienststellen und Fitness-Studios.

Es kam zu Ermittlungen gegen insgesamt 111 Personen, darunter 27 Polizisten. „Schwerpunkt“ war der Abschnitt 45 am Augustaplatz in Lichterfelde. Dort versah auch der Angeklagte Uwe R., den die Staatsanwaltschaft für den „zweiten Mann“ des Drogenringes hält, seinen Dienst. Im Frühjahr vergangenen Jahres klickten bei „Bullen-Kalle“ und dem 35-jährigen Polizeiobermeister Uwe R. die Handschellen. Dem einen werden nun 558 Straftaten zur Last gelegt, dem anderen 156.

Die beiden Beamten hielten sich für den Dienst nicht nur – wie vom Dienstherrn gefordert – fit. Sie sollen Bodybuilder in der so genannten „Pumper“-Szene mit verbotenen Muskelaufbaupräparaten versorgt und selbst Anabolika geschluckt haben. Und sie handelten den Ermittlungen zu Folge mit Drogen wie Ecstasy-Pillen, Kokain und Haschisch – angeblich flächendeckend über alle Bezirke verteilt. Der dritte Polizist auf der Anklagebank soll zu den kriminellen Machenschaften geschwiegen haben. Zwei Monate saßen M. und R. in Untersuchungshaft. Dann legten sie mehrere hundert Seiten umfassende Geständnisse ab und kamen frei.

Das Geschäft mit Drogen und Anabolika soll „Bullen-Kalle“ seit Frühjahr 1996 etwa 500 Euro im Monat zusätzlich eingebracht haben. Im Prozess wird es aber nicht nur um gewerbsmäßigen Handel mit Drogen und verschreibungspflichtigen Arzneimitteln, sondern auch um Korruption und Verrat von Polizeigeheimnissen gehen. Laut Anklage ließen sich die Beamten bestechen, indem sie im Tauschgeschäft für Drogen Daten aus dem Polizeicomputer herausgaben. Auch 500 Schuss Munition, die ein Gerichtsvollzieher an M. und R. übergeben hatte, sollen sie vermarktet haben.

In zwei Prozessen wurden bereits Dealer der „Pillen-Polizisten“ zu Haftstrafen bis zu drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Einer der beiden Angeklagten hatte den Richtern berichtet, dass er den inzwischen vom Dienst suspendierten Karsten M. in einem Fitness-Studio kennen gelernt hatte. Gemeinsam habe man gezecht und die eine oder andere Linie Kokain geschnieft. Dass ein Polizist zu seinen besten Kunden gehörte, sei ihm bekannt gewesen, sagte der Dealer. „Kalle kam sogar einmal in Uniform. Ich dachte: Was ist nun los? Da hat er gelacht“, sagte der verurteilte Elektroinstallateur.

Die Richter wollen Anfang Juni zu einem Urteil kommen. Für die Politik allerdings dürfte der Fall noch längst nicht erledigt sein. Im Innenausschuss wurde Innensenator Ehrhart Körting (SPD) schon vorgeworfen, er verharmlose den Fall. Körting hatte zu den Abgeordneten gesagt, bei 27 000 Mitarbeitern gebe es „auch mal das eine oder andere schwarze Schaf“.

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