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Berlin: Bundesverfassungsgericht verschiebt Haftantritt auf kommende Woche

Überraschende Wende im Fall Egon Krenz: Der ehemalige DDR-Staats- und Parteichef muss heute doch nicht zur Haft in Hakenfelde antreten. Das Bundesverfassungsgericht wird nächste Woche über seinen Fall entscheiden und hat mit der Berliner Staatsanwaltschaft vereinbart, dass bis dahin keine Zwangsvollstreckung erfolgt.

Überraschende Wende im Fall Egon Krenz: Der ehemalige DDR-Staats- und Parteichef muss heute doch nicht zur Haft in Hakenfelde antreten. Das Bundesverfassungsgericht wird nächste Woche über seinen Fall entscheiden und hat mit der Berliner Staatsanwaltschaft vereinbart, dass bis dahin keine Zwangsvollstreckung erfolgt. Ein "faktischer Aufschub", wie der Krenz-Verteidiger Robert Unger gestern Abend zum Tagesspiegel sagte. Justizsprecherin Michaela Blume bestätigte den Fall. Das Bundesverfassungsgericht habe sich mit einer entsprechenden Bitte an die Berliner Justiz gewandt, und diese habe ihr selbstverständlich "wie in allen ähnlichen Fällen" entsprochen.

Sein Mandant werde deshalb heute nicht in der Strafanstalt erscheinen, sagte Unger. Damit geht der juristische Kampf um die sechseinhalbjährige Freiheitsstrafe für Egon Krenz in eine weitere Runde. Noch am Mittwochnachmittag hatte der ehemalige Politbüro-Chef eine Absage erhalten. Das Kammergericht verwarf seine Beschwerde gegen die Entscheidung des Landgerichts, das ihm einen Haftaufschub verwehrt hatte. Auch die Kammerrichter sahen keinen Grund, die Strafverbüßung bis zur Entscheidung des Europäischen Menschenrechts-Gerichtshofs in Straßburg aufzuschieben. Nach der Strafprozessordnung könne es nur einen Aufschub geben, wenn dem Verurteilten oder seiner Familie durch die sofortige Vollstreckung "außerhalb des Strafzwecks liegende Nachteile erwachsen". Dies sei hier nicht der Fall. Um das gleiche Problem geht es auch vor dem 2. Senat des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe. Dort hat Robert Unger eine einstweilige Anordnung beantragt, um die Vollstreckung bis zur Straßburger Entscheidung aussetzen zu lassen. Das Bundesverfassungsgericht will sich in der nächsten Woche äußern und hat deshalb eine "verbindliche Zusage" in Berlin erwirkt, nicht gegen Krenz vorzugehen, wenn er bis dahin nicht zur Strafverbüßung antritt.

Anders als Krenz hat Günter Schabowski jedes Aufsehen um seinen Haftantritt vermieden. Er meldete sich am Mittwochmittag in der Vollzugsanstalt Hakenfelde in Spandau, um die Verbüßung seiner dreijährigen Strafe anzutreten. Dort war er erst am Donnerstag erwartet worden, dem letzten Tag seiner Ladungsfrist. Der mit gleicher Strafe mitverurteilte Günther Kleiber hat inzwischen, wie berichtet, aus familiären Gründen einen Aufschub bis Mitte Januar erhalten. Er will sich um seine kranke Frau kümmern.

Schabowski war kurz vor seinem Haftantritt am Dienstagabend noch Ehrengast einer CSU-Adventsfeier in Berlin gewesen. Dort las der Politiker und ehemalige bayerische Umweltminister Peter Gauweiler, der sich vor kurzem intensiv für eine Begnadigung Schabowskis eingesetzt hatte, aus Ludwig Thomas "Heiliger Nacht". Gäste aus Ost und West seien eingeladen worden, um die innere Einheit voranzubringen, sagte Gauweiler nach Angaben der Nachrichtenagentur AP. Schabowski wurde hier von einigen Gästen "unser Freund" genannt, was dem mit seiner Ehefrau gekommenen ehemaligen Berliner SED-Chef sichtlich gut tat.

Schabowski spielt unter den früheren Politbürokraten eine Sonderrolle: Er hat sich schonungslos über die DDR-Vergangenheit geäußert und seine dreijährige Strafe akzeptiert. Unter westlichen Politikern gilt er als erster Anwärter für einen Gnadenakt.

pen

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