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Heinz Buschkowsky verteidigt seine Thesen aus dem Buch "Neukölln ist überall"

© Thilo Rückeis

Buschkowskys Auftritt im Berliner Ensemble: Neuköllner Kabarett

Bezirksbürgermeister Buschkowsky kam ins Berliner Ensemble, um über sein Buch zu diskutieren. Ein Heimspiel: Der Geladene erzählte, wie er sein eigenes Büro anmietete und was eine enge Mitarbeiterin davon hielt: „Sie sind ja verrückt, Chef.“

Um einer etwaigen Dienstwagenaffäre vorzubeugen, offenbart Heinz Buschkowsky (SPD), Neuköllns Bezirksbürgermeister, gleich zu Beginn seines Auftritts, mit dem Dienstwagen gekommen zu sein. Das sei zulässig, man müsse die Kilometer nur ins Fahrtenbuch eintragen und am Ende des Jahres als geldwerten Vorteil versteuern. Da hat das Bühnentier Buschkowsky die ersten Lacher eingefahren.

Das Politikmagazin Cicero hatte den bekanntesten Bezirksfürsten Deutschlands ins Berliner Ensemble eingeladen, um über sein Buch „Neukölln ist überall“ zu diskutieren. Doch das Buch und die Debatte über Integrationsversäumnisse in den Neuköllns der Republik wird inzwischen von der in dieser Zeitung aufgeworfenen Frage überschattet, wer dem omnipräsenten Bürgermeister beim Verfassen des Bestsellers geholfen hat. Buschkowsky verweigerte bislang genauere Auskünfte mit dem Verweis, das sei Privatsache. Ein Rechtsstreit darüber geht jetzt in die zweite Instanz.

Cicero-Journalist Alexander Marguier stellt gleich eingangs die Frage zu den Buchzuträgern, und Buschkowsky gibt den Hinweis, er könne nicht Maschineschreiben. Da hätten sich „viele Menschen außerhalb und innerhalb der Verwaltung“ ein Zubrot verdient. „Ordnungsgemäße Verträge“ seien abgeschlossen worden, und die Zuträger hätten „ordentlich ihr Geld“ erhalten. Und schließlich habe er für sein eigenes Bürgermeisterbüro – 20 Quadratmeter groß – einen Mietvertrag für die Wochenenden abgeschlossen. Eine enge Mitarbeiterin habe daraufhin gesagt: „Chef, Sie sind verrückt!“ Replik Buschkowsky: „Warten wir die Zeit ab.“

Das ist die höhere Schule der Kommunikation. Buschkowsky versteht es, die Menschen mit süffisanten Zitaten und mokanten Seitenhieben auf seine Kritiker für sich einzunehmen. Dabei geht er fast immer mit dem Florett vor, Säbelhiebe hat er nicht nötig. Das Insistieren von Journalisten sei eine Kampagne, um ihn zu demontieren, aber „seit diese Kampagne läuft, habe ich eine Welle der Solidarität erfahren“. Im Saal hat sich längst eine Zweidrittelmehrheit mit ihm solidarisiert. Buschkowsky bekommt Sonderapplaus, stilles Kopfnicken, und nicht wenigen Fans entschlüpft ein unbewusst gemurmeltes „Hhm“ oder ein „Ja, genau“, während Buschkowsky seine Verteidigungsrede hält, und auch später, als er längst wieder beim Leib- und Magenthema Neuköllner Unglaublichkeiten und das politische Wegducken der „Politiker aus der ersten Liga“ angekommen ist. Es sind Ältere und Jüngere aus der Mittelschicht gekommen, darunter vermutlich viele Lehrer.

Nach einer Dreiviertelstunde hat sich Buschkowsky warm geredet und bewirbt sich beim Publikum als kommender Politkabarettist. Da wolle das „Schulministerium“ – offenbar meint er die Senatsbildungsverwaltung – doch ernsthaft den Begriff Brennpunktschulen zu „Schulen mit besonderem Entwicklungsbedarf“ verniedlichen, und im Jobcenter würden schwer vermittelbare Hartz-IV-Empfänger zu Menschen mit „komplexer Profillage“ umdefiniert. Auch hier geht das Publikum begeistert mit. Die Botschaft: Die große Politik löst keine Probleme, sondern streicht sie einfach aus dem Wortschatz.

Da liegt die Frage nahe, wann Buschkowsky denn nun selber mal große Politik machen wolle. Der Angesprochene zögert und schiebt die Unterlippe vor. Dann weicht er aus: „Die Rufe nach mir auf dem Berliner Landesparteitag sind übersichtlich.“ Zum SPD-Chef Sigmar Gabriel pflege er ein entspanntes Verhältnis, auch den Berliner SPD-Fraktionschef Raed Saleh sieht er als einen politischen Mitstreiter, obwohl Saleh als Parteilinker gilt. Beide reisten im Dezember zusammen nach Rotterdam, wo ein marokkanischer Bürgermeister schon lange die Politik exerziert, die sich Buschkowsky für Berlin wünscht: hart durchgreifen bei notorischen Integrationsverweigerern.

An der SPD-Basis, sagt Buschkowsky, habe er meist ein Heimspiel, und so funktioniert auch dieser Auftritt. Kritische Fragesteller kann er besänftigen. Er sei keineswegs gegen das Asylrecht, wenn er eine gesteuerte Einwanderungspolitik fordere. Die Bundes-SPD muss dann doch noch eine Buschkowsky-Kröte schlucken. Eine weitere Erhöhung des Kindergeldes sei völlig falsch, weil dann Kinder aus armen Familien noch mehr zu „Einkommensfaktoren“ würden.

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