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Berlin: BVG stoppt teures elektronisches Ticket

Anspruchsvolles Projekt hat bereits zweistelligen Millionenbetrag verschlungen Nun sucht der Verkehrsbetrieb eine gemeinsame Lösung mit der S-Bahn

Es sollte der große Wurf und vielleicht weltweit zum Vorbild werden – das elektronische Ticket der BVG. Nach Ausgaben in zweistelliger Millionenhöhe wurde es jetzt zum Flop. Nach Tagesspiegel-Informationen hat BVG-Chef Andreas Sturmowski jetzt die Notbremse gezogen und das kostenträchtige Projekt gestoppt. Offiziell äußern wollte sich die BVG dazu gestern nicht. Zum Vergleich: Die vorgesehene Tariferhöhung im April wird der BVG wohl nicht mehr als vier Millionen Euro zusätzlich einbringen – weit weniger, als das Prestigeprojekt elektronisches Ticket verschlungen hat.

Der Berliner Verkehrsbetrieb wollte mit dem elektronischen Ticket gewissermaßen die Welt neu erfinden. Der Chip auf dem Fahrschein sollte es ermöglichen, die Fahrten der Fahrgäste individuell abzurechnen. Jede Fahrt wäre nach der jeweiligen Entfernung – ermittelt an den Luftkilometern – abgerechnet worden. Ein solches System gibt es noch nicht.

Rund ein Dutzend Mitarbeiter beschäftigte sich bei der BVG seit Jahren mit diesem Projekt. Die Personalkosten dafür gehen in die Millionen. Teuer war auch ein sogenannter Feldversuch, der Anfang 2000 mit 26 200 Testern vorgenommen worden war. Sie mussten sich beim Ein- und Aussteigen auf ausgewählten Linien der U-Bahn, der Straßenbahn und beim Bus jeweils mit ihrer elektronischen Karte an Lesegeräten an- und abmelden. Der Versuch sei erfolgreich verlaufen, verkündete die BVG anschließend. Doch weiter kam sie mit ihrem ehrgeizigen Projekt trotzdem nicht.

Am Feldversuch hatte sich zwar auch die S-Bahn beteiligt, doch anschließend ging sie auf Distanz zu dem Vorhaben. Der Aufwand sei zu hoch, argumentierte die S-Bahn. Eine Machbarkeitsstudie habe ergeben, dass elektronische Fahrscheine nur eingeführt werden könnten, wenn es dafür zusätzliche Fördermittel des Landes gebe. Daran ist derzeit aber nicht zu denken.

Auch bei Experten außerhalb der Stadt war der Berliner Sonderweg durch die BVG auf wenig Verständnis gestoßen. Chips auf Fahrscheinen gibt es woanders nämlich schon seit Jahren – meist allerdings auch nur mit Zuschüssen aus öffentlichen Kassen.

Die Verkehrsbetriebe, die solche Tickets anwenden, haben aber darauf verzichtet, sie von Anfang an zu einer entfernungsabhängigen Berechnung des Fahrpreises zu nutzen. Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) hat drei Stufen zur Einführung vorgesehen: Zunächst soll die Chipkarte das Zahlen mit Bargeld an Automaten oder beim Fahrer ersetzen. Danach soll der Papierfahrschein durch das Speichern der vollständigen Ticketdaten in einem elektronischen Medium ersetzt werden. Erst in der dritten Stufe folgt dann eine „automatisierte Fahrpreisfindung“ auf der Basis von An- und Abmeldungen bei der jeweiligen Fahrt.

Vom elektronischen Ticket profitieren aber auch die Kunden, weil ein abhandengekommener elektronischer Fahrschein einfach gesperrt und durch geänderte Daten auf einer neuen Chipkarte ersetzt werden kann. Geht dagegen eine herkömmliche Monatskarte verloren, gibt es in der Regel dafür keinen Ersatz.

Ganz verzichten will die BVG auf das elektronische Ticket aber auch jetzt nicht. Sie sucht nun nach einer kleinen Lösung, wie sie woanders längst praktiziert wird. Der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) hat einen solchen Fahrschein bereits Anfang 2003 – als erster Verbund in Deutschland – eingeführt.

Für die kleine Lösung sucht die BVG nun wieder nach einem gemeinsamen Weg mit der S-Bahn und dem Regionalverkehr der Bahn. Wahrscheinlich gilt ein solches Ticket dann aber nur im Berliner Raum und nicht im gesamten Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB).

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