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Bibbern am Bahnsteig. Wer mit der S-Bahn unterwegs ist, sollte sich besser warm anziehen. Mit langen Wartezeiten muss auch in diesem Winter gerechnet werden.

© Spiekermann-Klaas

Chaos abzusehen: Auf die S-Bahn ist Verlass - beim Scheitern

Pünktlich zum Kälteeinbruch wird auf Berliner S-Bahnhöfen wieder länger gewartet: Bis zum Frühjahr hat die Bahn zu wenige Fahrer und Züge. Es werden noch Großbaustellen hinzukommen - und die S-Bahn weiter ausbremsen.

Die S-Bahn fährt weiter nach dem Prinzip Hoffnung: Der Fahrermangel, der in den vergangenen Tagen zu Ausfällen auf mehreren Linien geführt hat, wird nach Angaben von S-Bahnchef Peter Buchner erst im nächsten Jahr behoben sein. Und weil ein Teil der Flotte in diesem Jahr auf keinen Fall winterfest gemacht werden kann, muss bei Schnee und Frost erneut mit Ausfällen gerechnet werden. Zudem verzögert sich die Inbetriebnahme sanierter Züge weiter. Deshalb hat sich das Unternehmen intern bereits von seinem Plan verabschiedet, zum Fahrplanwechsel im Dezember wieder auf allen Linien zu fahren. Unabhängig davon werden zudem im nächsten Jahr mehrere Großbaustellen zu zum Teil monatelangen Unterbrechungen führen, was auch den Betrieb der S-Bahn erschwert.

Geänderte Tarifverträge und die Folgen einer sogenannten Belastungsstudie bei den Lokführern habe den Fahrermangel verursacht, sagte Personalchef Christoph Wachendorf. Derzeit gebe es rund tausend Lokführer; das Unternehmen braucht nach Buchners Angaben aber etwa hundert mehr. Seit Anfang des vergangenen Jahres bilde man verstärkt aus, doch die Kapazität dafür sei beschränkt. Hinzu komme derzeit ein Krankenstand, der gegenüber der Planung fast doppelt so hoch sei. Und auch die Zahl der für den Fahrdienst untauglich gewordenen Mitarbeiter sei relativ hoch, sagte Buchner. Unter der früheren Geschäftsführung haben zudem zahlreiche erfahrene Lokführer das Unternehmen verlassen, weil man ihnen damals keine Perspektive mehr bot.

Das jetzt hinzugekommene Problem mit leeren Bremssandbehältern, über das der Tagesspiegel am Donnerstag berichtet hatte, will Buchner durch den Einsatz von mobilen Teams zum Nachfüllen lösen. Derzeit sollen die Behälter in einem Siebentagerhythmus in den Werkstätten aufgefüllt werden. Weil durch das viele Laub auf den Schienen im Moment häufiger und stärker gebremst werden muss, sind die Behälter aber oft schon vorzeitig leer. Die Züge dürfen dann statt mit 80 km/h nur noch mit 60 km/h fahren, was den Fahrplan durcheinanderbringt. Vor allem auf dem Ring führen unterschiedliche Geschwindigkeiten der Züge schnell zu riesigen Lücken im Fahrplan. Am Dienstagabend mussten Fahrgäste, wie berichtet, bis zu 50 Minuten auf einen Zug warten.

Lesen Sie auf der nächsten Seite wie viele Züge der S-Bahn fehlen.

Weil nach wie vor auch einsatzfähige Bahnen fehlen, von 650 Doppelwagen waren zuletzt 476 unterwegs, kann zum Fahrplanwechsel am 11. Dezember auch die vor zweieinhalb Jahren eingestellte S 85 (Waidmannslust–Grünau) noch nicht wieder in Betrieb gehen. Sie komme vielleicht noch im Dezember, vielleicht aber auch erst nächstes Jahr wieder, sagte Buchner. Mitte Dezember solle die S-Bahn wieder nach Plan fahren, hatte Bahnchef Rüdiger Grube im Sommer angekündigt. Für ausgefallene Fahrten zieht der Senat der S-Bahn einen Teil der Zuschüsse ab; in diesem Jahr waren es bisher 37,8 Millionen Euro. 2009 und 2010 hielt der Senat zusammen bereits mehr als 100 Millionen Euro zurück.

Der Chef des Verkehrsverbundes Berlin-Brandenburg (VBB), Hans-Werner Franz, fragt sich, wie die S-Bahn das volle Angebot fahren wolle, wenn sie derzeit bereits bei nur erreichten 82 Prozent schon so große Probleme habe. Der sich abzeichnende Fahrermangel hätte viel früher erkannt und beseitigt werden müssen, sagte Franz. Und dass selbst beim Bremssand noch keine Lösung gefunden worden sei, sei mehr als bedauerlich.

Hinzu kommen diverse Bauarbeiten, die die S-Bahn auch im kommenden Jahr ausbremsen. Durch den Baustellenverkehr seien oft sogar mehr Fahrer im Einsatz als ohne, sagte Buchner. Und gebaut wird viel: Für das Schienennetz sollen in Berlin und Brandenburg 453 Millionen Euro investiert werden, in Bahnhöfe wolle man 81 Millionen Euro stecken, kündigte der Berliner Bahn-Chef Ingulf Leuschel am Donnerstag an.

Unter anderem werden zwischen Marienfelde und Lichtenrade die Gleise der S-Bahn erneuert, weshalb dieser Abschnitt vom 21. Juni bis 3. August unterbrochen wird. Keinen Zugverkehr gibt es vom 30. März bis 16. April auch auf dem Ostring zwischen Schönhauser Allee und Neukölln/Baumschulenweg. Und wie häufig im Straßenbau gibt es auch auf der Schiene Koordinationsprobleme: Gleichzeitig mit der Sperrung bei der S-Bahn unterbricht auch die BVG den Verkehr auf der U 2 zwischen Pankow und Rosa-Luxemburg-Platz vom 7. bis zum 18. April, so dass diese Umfahrungsmöglichkeit entfällt. Der Ostring werde wesentlich länger gesperrt als zunächst geplant. Davon sei auch die BVG überrascht worden, sagte deren Sprecher Klaus Wazlak. Ändern könne man daran jetzt nichts mehr. Hier hilft nicht einmal das Hoffen.

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