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Christian Brandes.

© Kitty Kleist-Heinrich

Internetseite "Spiegel Offline": Chronist des Blödsinns

Die Internetseite „Spiegel Offline“ bringt Leute zum Lachen – dahinter steckt ein Berliner.

Der Mann plappert einfach drauflos. Ein bisschen vulgär, nuschelig und so schnell, als hätte er keine Zeit zu verlieren. „Die meisten Leute lesen ,Spiegel Offline’ dort, wo es das größte Abfuckpotenzial gibt: auf Arbeit. Wenn man nach der Mittagspause in den Chill-Modus schaltet, schaut man sich ein Video, lacht sich schlapp und dann geht’s weiter“, sagt er und seine Augen blinkern vor Freude über die Formulierung. Für einen guten Spruch ist er immer zu haben. Der Chronist des Blödsinns ist Werbetexter.

Christian Brandes hat jetzt Mittagspause. Er sitzt in seinem „Wohnzimmer“, der Ankerklause in Neukölln. Vor neun Jahren kam er aus Bremen zum Studium nach Berlin, seine Sprache verrät ihn noch immer. Mittlerweile ist Brandes 29, das BWL-Studium hat er abgebrochen, er arbeitet bei einer bekannten Werbeagentur. Und genauso sieht er auch aus: weißes T-Shirt, schwarze Ben-Sherman-Jacke, Haare gescheitelt, Drei-Tage- Bart.

„,Spiegel Offline’ ist kein Blog“, stellt Brandes gleich mal klar. „Es ist eine Entertainment-Plattform für den schnellen Brüller.“ Das Ganze erinnert an „Bitte lächeln“, diese Sendung, die in den 90ern bei RTL 2 lief und Privataufnahmen zeigte, die unfreiwillig komisch waren. Auch bei Spiegel Offline gibt es größtenteils Slapstick zu sehen. Ein Mann hält ein Pissoir versehentlich für ein Waschbecken, nimmt sich einen WC-Stein und wäscht sich in einer Lache aus Urin die Hände – zur Verblüffung der Fernsehreporterin, die mit ihrem Kamerateam gerade eine Reportage dreht. Ein anderes Video zeigt zwei russische Kinder, die eine Friedenstaube in der Hand halten und sie fliegen lassen wollen – nur leider lebt die Taube nicht mehr und landet unsanft auf dem Boden. Oder der kleine Vogel, der sich stumpf am Scheibenwischer eines Autos festkrallt und hin und her und hin und her gewedelt wird. Solche Dinge halt. Manche Videos seien gar nicht lustig, sondern eher verstörend, bizarr oder bestenfalls faszinierend. „Du guckst es dir an und verstehst es nicht.“

Seit einem Jahr gibt es die Internetseite. Anfangs klickten vor allem seine Freunde die Videos an; mittlerweile hat Spiegel Offline 10 000 Leser pro Tag und 5500 Facebook-Freunde – Tendenz steigend. Mit Werbung verdient Brandes in guten Monaten bis zu 900 Euro. „Alles außer Nachrichten“ lautet das Motto.

Das, womit sich seine Leser ablenken, kostet Brandes allerdings viel Arbeit. Jeden Morgen steht er um sechs Uhr auf, denn die meisten User wollen mit einem Lacher in den Tag starten. Dann setzt er sich zwei Stunden lang vor seinen Laptop, um die Perlen aus dem Netz zu fischen. „Das mache ich ganz lässig von der Badewanne aus“, sagt Brandes.

Rund fünf Videos stellt er pro Tag online. Weniger ist mehr. Schließlich sollen nur die lustigsten Fundstücke auf der Seite landen. Zu jedem Video schreibt Brandes einen kleinen Vorspann.

Am witzigsten findet Brandes das Spontane. Inszenierungen seien meistens weniger lustig – und manchmal auch gefährlich. Denn regelmäßig erhält Brandes selbst gedrehte Videos, deren Inhalt nicht witzig, sondern gefährlich ist. In solchen Momenten spürt der Chronist des Blödsinns seine Verantwortung. Gerade, wenn Minderjährige zum Gespött gemacht werden, verzichtet er lieber auf die Pointe. „Leute unter 18 können nicht reflektieren, was sie da tun.“ Deshalb plant Brandes, an Haupt- und Realschulen zu gehen, dort Vorträge zu halten und die Schüler über Chancen und Gefahren des Internets aufzuklären. Björn Stephan

Die Seite im Netz unter www.spiegeloffline.de

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