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Berlin: Da ist Musik drin

Software-Synthesizer, Handy-TV und hochwertige Hi-Fi-Anlagen – Berliner Themen auf der Messe

Wie klingt Daimler-Benz? Oder das Weiße Haus? Man weiß es nicht. Noch nicht. Wie die Telekom klingt, weiß jeder. Vier helle Töne, der dritte etwas höher als die anderen. Sound-Logo nennen Fachleute das. Auch die Internationale Funk-Ausstellung (Ifa) hat jetzt einen Klang bekommen. Wer auf die Internet- Seite klickt (www.ifa-berlin.de), hört elektronisch erzeugte Sphärentöne. Komponiert wurden sie vom Berliner „Audioarchitekten“ Jens Quandt, Chef der Firma Snowland. Die Verknüpfung mit dem Ifa- Internetauftritt übernahm Digitalklang Sonification Services, vor drei Jahren in Berlin gegründet, inzwischen mit sieben Mitarbeitern in Kreuzberg zu finden.

Kommende Woche beginnt die Ifa, die weltgrößte Messe für Unterhaltungselektronik. Immer weniger Berliner Firmen sind auf ihr vertreten. 2003 kamen noch 87 Aussteller aus Berlin, diesmal sind es nur noch 47. Davon sind etwa die Hälfte Verbände und Vereine. Sieht man noch von Verlagen und Dienstleistern ab, bleiben gerade mal elf produzierende Firmen. Dabei soll es in der Berliner IT- und Medienbranche inzwischen rund 10000 Unternehmen geben. „Kreative Inhalte, das macht Berlin aus“, sagt Anja Kühne von der Industrie- und Handelskammer. Die Ifa sucht zwar die Verbindung von Medien-Hardware, -Software und -Inhalten, aber in der Wahrnehmung ist es noch immer vornehmlich eine Messe der Elektronikhersteller. Und die kommen überwiegend aus Asien und Amerika.

Dennoch sind auch die Berliner mit Innovationen dabei: Angeschoben von der Medienanstalt Berlin-Brandenburg beteiligt sich neben Branchengrößen wie T-Systems und Nokia auch die Neva GmbH an einem Pilotprojekt, das das digitale Überallfernsehen (DVB-T) auf das Handy und andere mobile Endgeräte bringen soll (DVB-H). Zur Fußball-WM 2006 soll das System funktionstüchtig sein. Neva ist die Ideenschmiede des ehemaligen Pixelpark-Chefs Paulus Neef. Das Unternehmen will für handytaugliche TV-Inhalte sorgen.

Wer das Überallfernsehen jetzt schon empfangen möchte, kann das neue DVB-T-Empfangsmodul der Berliner Firma Freecom ans Laptop anschließen, den „kleinsten Fernsehempfänger der Welt“. Und die Berliner Teles AG wird auf der Ifa ihren „Super-Hotspot“ vorstellen: Der bietet Zugang zum Internet über einen digitalen Fernsehkanal. Mit einem Empfangsmodul kann der Nutzer dann unabhängig von lokalen Funknetzen stets und überall drahtlos surfen.

Per Computer erzeugte Musik ist ein weiteres wichtiges Thema. Berlin als Musikhauptstadt des Landes spielt auch im weltweiten Vergleich in diesem Segment der IT- und Medienbranche eine wichtige Rolle. Die Firma Native Instruments (NI) aus Kreuzberg, nach eigenen Angaben Weltmarktführer im Bereich Software-Synthesizer, beschäftigt inzwischen 100 Mitarbeiter. „Internationale Popbands wie U2 oder Coldplay arbeiten mit unserer Software“, sagt NI-Sprecher Tobias Thon. Wenn Paul McCartney nicht mit der schweren Hammond-Orgel auf der Bühne steht, sondern mit einem kleinen Laptop, dann hat er das den Programmierern von NI zu verdanken. Die Einsteiger-Software kostet 70 Euro, für das komplette Digitalstudio mit allen Finessen sollte man dagegen mit einer halben Million Euro rechnen. Auf der Ifa will NI das „breite Publikum“ erobern. Kosho, der Gitarrist der „Söhne Mannheims“, wird live auf dem Stand spielen: ohne Verstärker, aber mit Laptop.

Im vergangenen Jahr verlegte die Magix AG ihren Hauptsitz von München nach Berlin. 120 Menschen im Philip- Johnson-Building am Checkpoint Charlie produzieren neben Musiksoftware für Profi- und Freizeitkomponisten vor allem Komplettlösungen für die Bearbeitung von Ton, Foto und Video auf dem Computer. „In einzelnen Bereichen sind wir in vielen europäischen Ländern Marktführer“, sagt Firmensprecher Ulrich Hepp. Auf der Ifa soll das Handy als Multimedia-Werkzeug im Vordergrund stehen.

Zur Musikbranche mit starker Berliner Beteiligung gehören auch die „High-Ender“, Hersteller hochwertiger Hi-Fi-Anlagen. Vertreten sind alteingesessene Firmen wie die Lautsprecherbauer Visonik, Expolinear und mbl. Der größere Teil der Berliner Hi-Fi-Firmen bleibt der Ifa jedoch fern, darunter Branchenprimus Burmester. Auf der Ifa finde er sein Publikum nicht mehr, sagt Dieter Burmester. „Die High-End-Messe in München hat der Ifa längst den Rang abgelaufen.“ Besuchen wird er die Ifa dennoch. Er plant eine Kooperation mit der Firma Loewe.

Die High-Ender sind das Überbleibsel der einstmals mächtigen deutschen Unterhaltungselektronik. Es sind kleine Firmen mit maximal 30 Beschäftigten, die sich am Markt behaupten können, weil sie hochwertiges Design und hohe Qualität bieten, meist im teuren Luxussegment. „Der Umsatz stagniert. Die Branche ist am Boden“, klagt Jörg Henning-Reinelt von Expolinear. „In den 80er Jahren waren wir auf der Ifa noch der Renner. Jetzt werden wir oft schon als Spinner bezeichnet.“ Trotzdem will er die Ifa nicht verlassen, sie sei für die Händler wichtig. So denkt auch Frank Urban von Visonik: „Ein Berliner Unternehmen hat auf der Ifa zu sein.“

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