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Berlin: Damit es gut anläuft

Oft werden Vorsätze später als sektlaunige Silvesterscherze verharmlost – für Inkonsequente gibt es Hilfe

Die Bilanz ist niederschmetternd: 80 Prozent der guten Vorsätze überleben die ersten Wochen des neues Jahres nicht. Das haben Umfragen ergeben. Dennoch ist der gute Vorsatz selbst nicht totzukriegen. Er ist das Versprechen für eine bessere Zukunft. Ein Placebo im Kampf gegen schlechte Gewohnheiten und mangelnde Disziplin.

In Berlin hat man sich des Problems angenommen. Die Volkshochschule Treptow-Köpenick bietet professionelle Hilfe bei der Verwirklichung guter Vorsätze in den Bereichen „Kultur, Gesundheit, Geschichte, Zeitgeschehen, Fremdsprachen und EDV“ – Anmeldung für alle Kurse ab 10. Januar. Die Diplompsychologin Ursula Lindauer aus Charlottenburg leistet im Rahmen einer „Psychotherapie für Gesunde“ ganz konkrete Gute-Vorsatz-Unterstützung für Raucher oder Messies.

Vorsätze wirken also auch umsatzsteigernd. Oder kostendämpfend. Besonders in der milliardenschweren Gesundheitsbranche. Die Krankenkassen lieben gute Vorsätze. Die DAK hat unlängst eine Studie veröffentlicht, die nachweist, dass gute Vorsätze wirken können, ganz ohne die Zugabe teurer Medikamente. Mit einer speziellen Motivationstechnik konnten 150 ausgewählte Frauen ihr Essverhalten und die körperliche Fitness deutlich verbessern. Sie trieben schon nach einer Woche durchschnittlich eine Stunde mehr Sport als eine zweite Gruppe von 150 Frauen, die zwar dieselben guten Vorsätze gefasst hatte, aber mit diesen dann alleingelassen wurde.

Gute Vorsätze brauchen einen Trainingsplan, mit vielen kleinen messbaren Zwischenzielen. Und Freunde, die Anerkennung spenden und zum Weitermachen ermuntern. Verbote auszusprechen, ist kontraproduktiv, sagt der Persönlichkeitstrainer Marco von Münchhausen. Er hat in einem Buch (Michael Spitzbart: Fit mit dem inneren Schweinehund; Gräfe & Unzer 2007) beschrieben, wie man mit viel psychologischer List die persönlichen Ziele verwirklicht.

Die Hitliste der guten Vorsätze wird in diesem Jahr von dem Wunsch angeführt, „mehr Zeit mit Familie und Freunden zu verbringen“, das wollen laut einer Forsa-Umfrage 64 Prozent der Deutschen. 60 Prozent haben sich vorgenommen, Stress zu vermeiden. Die Klassiker „Mit dem Rauchen aufhören“ und „Abnehmen“ kamen nur auf 33 beziehungsweise 18 Prozent. Viele wollen sich mit diesen boshaft zählebigen Gewohnheiten nicht mehr anlegen.

Denn: Vorsätze wirken strafverschärfend. Raucher und Übergewichtige wissen das. Die strafende Instanz ist das eigene Gewissen. Da hilft es auch nicht, die guten Vorsätze im Nachhinein als sektlaunigen Silvesterscherz zu verharmlosen. Ein bitterer Nachgeschmack zieht sich durchs Folgejahr, bis die neuen Vorsätze die alten verdrängen.

Marcel Proust schildert in „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“, wie ein Romancier den Vorsatz, einen Roman zu schreiben, immer weiter hinausschiebt und dabei das Ziel völlig aus den Augen verliert. Im steten Fluss der Tage findet sein Entschluss keinen Halt. Da ist so ein Neujahr mit seiner jungfräulichen Unschuld, befreit von den Dämonen der Vergangenheit, eigentlich ein guter Starttermin, dem Leben eine neue Richtung zu geben. Oder den ersten Satz niederzuschreiben.

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