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Berlin: Das alte Berlin: "krouwel" = "krumm"

Es war eine der ältesten Gassen Berlins und zuletzt auch eine der bekanntesten: der Krögel. Nur wenigen Berlinern ist er noch ein Begriff.

Es war eine der ältesten Gassen Berlins und zuletzt auch eine der bekanntesten: der Krögel. Nur wenigen Berlinern ist er noch ein Begriff. "krouwel", das hieß im Niederdeutschen "krumm", und genau das war der kleine Stichkanal, auf dem man Waren von der Spree zum Molkenmarkt beförderte. Schmal und krumm blieb auch die Gasse, als man den Kanal im 13. Jahrhundert zuschüttete. Nach und nach wuchs am Krögel ein Gewirr von Häusern und Höfen. Schon den Stadtverordneten der Gründerzeit missfiel diese mittelalterliche Unübersichtlichkeit, doch abgerissen wurde der Krögel erst 1935: Obwohl mittlerweile beliebtes Touristenziel, passte er als Arme-Leute-Gegend nicht mehr zu den ehrgeizigen NS-Hauptstadtprojekten.

Susanne Gänshirt-Heinemann hat die Geschichte dieser Alt-Berliner Gasse in einem neuen Band der "Berlinische Reminiszenzen" aus dem Verlag Haude & Spener nachgezeichnet, vor allem die gut dokumentierte Zeit ab 1882. Damals verbargen sich hinter der Adresse "Am Krögel 1" - weitere Hausnummern gab es nicht - zwei Seitenflügel, zwei Quergebäude, zwei Höfe und ein Garten. Zwei Eingänge führten von der Gasse aus zu den Höfen, von denen allein man die Wohnungen erreichen konnte. Handwerker, Arbeiter, Wäscherinnen und Näherinnen lebten dort. Für rund 30 Familien gab es 1925 fünf Toiletten auf dem Hof und einen einzigen Wasser- und Gasanschluss.

Dennoch wurde der Krögel von Fremden gerne als malerisch empfunden. So war diese Gasse seit Ende des 19. Jahrhunderts beliebtes Motiv zahlreicher Fotografen, auch Heinrich Zille hat dort auf den Auslöser gedrückt. Die im Buch enthaltenen historischen Aufnahmen sind denn auch Ausgangspunkt für aufmerksame zeitgeschichtliche Beobachtungen. "Auf den Spuren der Fotografen" nimmt die Autorin uns gleichsam an die Hand und führt uns vom einen Ende des Krögels quer über die Höfe bis zur Spree. Das ist auch für Leser, die von dieser Gegend nie gehört haben, spannend.

Konzentriert sich die Autor auf eine einzige Straße, so greift ein anderer Band derselben Reihe weiter aus: Wolfgang Feyerabend schildert den Aufstieg der Friedrich-Wilhelm-Stadt vom vorstädtischen Gelände zur Metropolengegend. Auch der Name dieses Viertels ist wenig bekannt, umso berühmter sind seine Gebäude: das Deutsche Theater, das Berliner Ensemble oder die Charité. Zu Bauten und Baumeistern weiß Feyerabend viel zu berichten, auch zu den mehr oder minder prominenten Bewohnern des Viertels, Künstlern wie Gelehrten. In der Luisenstraße etwa wohnte der Illustrator Theodor Hosemann. Der gab einem jungen Zeichner, der seine Skizzen gerne abmalte, einen Rat: "Gehen Sie lieber auf die Straße raus, ins Freie, beobachten Sie selbst, das ist besser als nachmachen." Wie man im Buch zum Krögel sehen kann, hat sein Schüler das beherzigt. Er hieß Zille.

Martina Bartel

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